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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Scheinwerfern, die ihnen drohend entgegenstrahlten. Gottlob verließen sie jetzt den Highway und bogen in die schmale Nebenstraße nach Tiburon ein.
    »Ich mag Sie sehr«, antwortete sie schließlich. Ihre Stimme war leise, schnurrend, rauchig.
    »Da bin ich froh«, sagte er. »Ich hatte schon Angst… Na, ich bin eben froh. Ich weiß nicht, warum ich das alles gesagt habe…«
    »Weil ich Sie gefragt habe, was Sie gesehen haben«, sagte sie schlicht.
    Er lachte und nahm einen tiefen Schluck aus der Bierdose.
    »Wir sind fast zu Hause«, sagte sie. »Halten Sie sich ein bißchen zurück mit dem Bier? Die Ärztin bittet Sie darum.«
    Er nahm noch einen tiefen Schluck. Wieder die Küche, der Duft eines Bratens im Ofen, der offene Rotwein, die zwei Gläser.
    Da steckte mehr dahinter, viel mehr. Und um es zu sehen, brauchst du nichts weiter zu tun, als daran zu denken. Hab’ dir alles gegeben, was du dir je gewünscht hast, Rowan. Du weißt, daß du es warst, die uns überhaupt zusammengehalten hat. Ich wäre längst weg, wenn du nicht gewesen wärst. Hat Ellie dir das je erzählt? Sie hat mich belogen. Sie hat gesagt, sie könnte Kinder bekommen, und sie hat gewußt, daß es eine Lüge war. Ich hätte längst Schluß gemacht, wenn du nicht gewesen wärst.
    Sie bogen nach rechts ab, nach Westen, vermutete er, in eine dunkle bewaldete Straße, die einen Berg hinauf und dann wieder hinunter führte. Wieder ein kurzer Blick auf einen weiten, klaren dunklen Himmel, angefüllt mit fernen, uninteressanten Sternen, und jenseits der mitternächtlich schwarzen Bay der großartige und wundervolle Anblick von Sausalito, wie es die Hänge hinunter zu seinem überfüllten kleinen Hafen rieselte. Sie brauchte ihm nicht zu sagen, daß sie fast da waren.
    »Ich möchte Sie etwas fragen, Dr. Mayfair.«
    »Ja?«
    »Haben Sie… haben Sie Angst, mich zu verletzen?«
    »Warum fragen Sie das?«
    »Ich hatte gerade das ganz seltsame Gefühl, daß Sie… gerade, als ich Ihre Hand hielt… daß Sie mich warnen wollten.«
    Sie antwortete nicht. Er wußte, daß er sie mit dieser Äußerung erschüttert hatte.
    Sie fuhren zur Uferstraße hinunter. Kleine Rasenflächen, schräge Dächer, kaum sichtbar hinter hohen Zäunen, Monterey-Zypressen, vom unnachgiebigen Westwind grausam verkrümmt. Eine Enklave von Millionärsbehausungen.
    Sie bog in eine gepflasterte Zufahrt ein und stellte den Motor ab. Das Licht der Scheinwerfer flutete über ein großes Doppeltor aus Rotholz hinweg und erlosch dann. Von dem Haus hinter dem Tor sah er nur die dunklen Umrisse vor dem helleren Himmel.
    »Ich will etwas von Ihnen«, sagte sie und blickte dabei ruhig geradeaus. Ihr Haar fiel nach vorn und verschleierte ihr Profil, als sie den Kopf senkte.
    »Nun, ich bin Ihnen etwas schuldig«, antwortete er, ohne zu zögern. Noch einmal nahm er einen tiefen, schaumigen Schluck Bier. »Was wollen Sie denn? Daß ich da hineingehe und die Hände auf den Küchenfußboden lege und Ihnen sage, was passierte, als er starb? Was ihn tatsächlich umgebracht hat?«
    Wieder ein Ruck. Stille im Dunkel des Wagens. Unversehens erfüllte ihn das schneidende Bewußtsein ihrer Nähe, ihrer süß und sauber duftenden Haut. Sie wandte ihm das Gesicht zu. Das gelbe Licht der Straßenlaterne fiel zwischen den Ästen eines Baumes hindurch. Erst dachte er, sie hätte den Blick gesenkt, die Augen fast geschlossen. Aber dann erkannte er, daß sie offen waren und ihn anschauten.
    »Ja, das will ich«, sagte sie. »Das ist es, was ich will.«
    »Schon recht«, sagte er. »Pech, daß es während eines solchen Streits passieren mußte. Sie müssen sich selbst die Schuld gegeben haben.«
    Ihr Knie streifte das seine. Kühle Schauer durchströmten ihn.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie können den Gedanken nicht ertragen, jemanden zu verletzen«, sagte er.
    »Das ist naiv.«
    »Vielleicht bin ich verrückt, Doktor« – er lachte – »aber naiv bin ich nicht. Die Currys haben niemals ein naives Kind großgezogen.« Er trank die Bierdose in einem Zug leer und starrte dann unversehens auf die fahlen Konturen des Lichtes auf ihrem Kinn, ihrem weich gelockten Haar. Ihre Unterlippe war voll und weich und überaus verlockend…
    »Dann ist es etwas anderes«, sagte sie. »Nennen Sie es Unschuld, wenn Sie wollen.«
    Er zog ein spöttisches Gesicht, antwortete aber nicht. Wenn sie wüßte, was ihm gerade durch den Kopf gegangen war, als er ihren Mund angeschaut hatte, ihren vollen, süßen Mund…
    »Und die

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