Hexensturm
hatte ich das Café nebenan übernommen und bezahlte gutes Personal. Die ÜWs der Gegend konnten sich jetzt auch gemütlich im Indigo Crescent Café treffen. Dreißig Prozent meines Gewinns spendete ich dem ÜW-Gemeinderat, der die ÜWs in allen möglichen Notlagen unterstützte.
Ich parkte auf meinem reservierten Platz. Das Indigo Crescent Café hatte einen eigenen kleinen Parkplatz hinter dem Haus – sehr bequem für die Kunden sowohl meiner Buchhandlung als auch des Cafés.
In letzter Zeit hatte das Geschäft Fahrt aufgenommen, und im Vergleich zu den meisten Buchhändlern in der Gegend machte ich guten Umsatz. Der Buchhandel hatte größere Umsatzeinbrüche verkraften müssen, aber wir hatten in gemütliche Nischen investiert, in denen man sich Audiobücher anhören konnte. Roz hatte sich eine coole Werbeaktion einfallen lassen, die zu funktionieren schien. Wir boten spezielle Rabatte an. Wenn ein Kunde mit einem Zahlbeleg nachwies, dass er ein Buch als eBook gekauft hatte, bekam er die gedruckte Ausgabe bei uns zum Sonderpreis. Und wenn jemand zehn Bücher über die Rabattkarte gekauft hatte, bekam er ein elftes umsonst.
Delilah und ich gingen hinein, und sie sauste sofort die Treppe hinauf zu ihrem neuen Büro. Die Räume waren nach der Explosion frisch renoviert worden. Ich ging weiter zu meinem eigenen Büroraum. Seit einer ganzen Weile war ich nicht mehr länger als ein paar Minuten hier gewesen, und auch jetzt noch stiegen mir Tränen in die Augen. Jedes Mal, wenn ich meinen Laden betrat, musste ich daran denken, dass Henry gestorben war, weil er für mich gearbeitet hatte. Kollateralschaden. Zu viel, zu viel …
Ich strich mit den Fingern über meinen neuen Schreibtisch. An das Gefühl von Ahorn hatte ich mich noch nicht gewöhnt – mein alter Schreibtisch war aus Eiche gewesen. Der Gedanke, dass das Leben nie wieder so sein würde wie zuvor, traf mich mit voller Wucht. Zu viel war passiert, zu viel Wasser den Bach hinuntergeflossen, zu viel Tod, Gemetzel und Ungewissheit. Aber es gab auch positive Entwicklungen, und das Leben stand eben niemals still. Das war gar nicht möglich, denn so eine Stagnation würde uns alle vernichten, langsam, aber sicher.
»Hallo, Chefin!« Giselle spähte zur Tür herein und sagte zögerlich: »Ich will dich nicht stören, aber …«
Giselle war sozusagen ein Geschenk von Vanzir. Sie war eine Dämonin, ging aber gut als hübsche junge Frau durch, mit weizenblondem Haar und den stärksten Muskeln, die ich an einer Frau je gesehen hatte. Sie war sehr sportlich – stämmig und braungebrannt. Ihre Augen waren strahlend blau dank der Kontaktlinsen, die ihre feuerrote Iris verbargen. VBMs hatten sich an meine violette Augenfarbe inzwischen gewöhnt, auch an topasgelbe Augen, aber mit diesem roten Dämonenfunkeln taten sie sich noch schwer. Viele würden sie für einen Vampir halten und unangenehme Fragen stellen.
»Komm rein.« Ich bedeutete ihr, sich zu setzen. »Wie läuft’s?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Gut, was das Geschäft angeht. Deirdre sagt, das Restaurant wird auch immer beliebter.«
Deirdre war eine Werkojotin, die ich für das Café angeheuert hatte. Ihre Cousine Marion Vespa führte das Superurban Café, hatte aber keine freie Stelle für Deirdre gehabt, also hatte ich sie angestellt. Deirdre und Giselle waren sich inzwischen sehr nahe gekommen – ein explosives, aber interessantes Pärchen.
Giselles Miene sagte mir, dass irgendetwas nicht stimmte. »Diesen Gesichtsausdruck kenne ich. Hier läuft es vielleicht gut, aber irgendetwas macht dir zu schaffen. Was ist los?«
Giselle holte tief Luft. »Ja … also … Jemand war jetzt schon zweimal hier und hat nach dir gefragt. Wann du denn mal hier sein wirst. Feenvolk aus der Anderwelt, behauptet er, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich bin sicher, dass er irgendetwas anderes ist, aber ich kann es nicht genau feststellen.«
Ein Luftzug strich durchs Zimmer, und mir war plötzlich kalt. »Wer war das? Wie sah er denn aus?«
»Er hat mir keinen Namen genannt. Beim ersten Mal hat er versucht, mich zu betören, das habe ich gemerkt. Er dachte wohl, ich sei menschlich und leicht zu beeinflussen. Als das nicht funktioniert hat, ist er wieder gegangen. Heute war er wieder da und wollte mich bestechen – er hat mir einen Diamanten angeboten. Brillantschliff, wunderschön, aber ich brauche so etwas nicht. Dass ich ihn nicht nehmen wollte, hat den Kerl offenbar sehr verwundert.«
Ich fuhr mir
Weitere Kostenlose Bücher