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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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mit der Zunge über die Lippen. »Beschreib ihn mir.«
    »Er war etwa eins fünfundsiebzig, drahtig, aber muskulös. Kahlrasiert mit einem Pferdeschwanz am Hinterkopf. Er sieht … irgendwie anders aus, aber ich kann es nicht genau beschreiben. Ganz in Leder und Fell gekleidet. Aber eines weiß ich ganz sicher: Er hat magische Fähigkeiten, und er wollte unbedingt herausfinden, wann du hier sein würdest. Deshalb bin ich froh, dass du heute durch die Hintertür gekommen bist.«
    »Ja …« Ich zögerte. Der Hintereingang garantierte keineswegs, dass man nicht gesehen wurde. »Ich gehe wohl lieber nach Hause. Delilah und ich arbeiten gerade an einem Problem, noch mehr kann ich nicht gebrauchen.«
    Ich rief nach Delilah. Sie kam mit einem kleinen Stapel Unterlagen die Treppe heruntergesaust. »Wir müssen los. Ich sollte jetzt besser nicht hier sein.«
    Sie sah mich fragend an und zuckte dann mit den Schultern. »Wir treffen uns draußen am Auto. Ich will mir im Café noch ein paar Cookies holen.«
    Ich nickte lächelnd – Todesmaid hin oder her, Delilah würde immer meine kleine Schwester sein. »Lass dir nur nicht zu viel Zeit.«
    Ich sammelte die Geschäftsbücher ein, die ich durchgehen wollte, ehe ich sie dem Steuerberater schickte. Nachdem ich Giselle dafür gedankt hatte, dass sie so gut aufpasste, ging ich hinaus. Ich setzte mich ins Auto, wartete und sah zu, wie der Schnee gemächlich herabrieselte. »Zu viel« , flüsterte ich vor mich hin. »Zu viele Sorgen, zu viel zu tun, zu viel zu verlieren.«
    Dann sprang Delilah mit frischen, warmen Cookies ins Auto, und wir fuhren nach Hause, eingehüllt in leichtes Schneetreiben.

    »Was glaubst du, wer das war?«, fragte sie unterwegs und reichte mir einen der riesigen Kekse.
    Ich winkte ab. Ausnahmsweise hatte ich heute keinen Appetit. »Ich glaube … ich glaube, das war jemand, den Hyto geschickt hat. Trytian hat uns doch mitgeteilt, dass er mit einem Schneemännchen unterwegs ist.«
    »Scheiße.« Delilah lehnte sich zurück und knabberte an ihrem Schokokeks. »Die wissen also, wo dein Laden ist?«
    »Kannst du dir vorstellen, was ein Drache in meiner Buchhandlung anrichten könnte? Im Restaurant? Und die ganzen Leute dort …« Ich hatte Visionen von kreischenden Kunden, die von Drachenfeuer verschlungen wurden. Hyto war nicht nur Smokys Vater. Er war ein besonders schreckenerregender Drache – ohne weiteres dazu fähig, alles zu vernichten, was ich aufgebaut hatte, und eine Menge unschuldiger Kunden gleich mit. Das wäre ihm völlig egal – Menschen waren für ihn nicht mehr als Staubkörnchen. Und ich war der Stachel in seinem Fleisch.
    »Was willst du unternehmen?« Delilah klang auf einmal ganz leise – offenbar hatte sie nun begriffen, wie ernst die ganze Sache werden konnte.
    »Keine Ahnung. Soll ich die Buchhandlung vorübergehend schließen? Stacia hat Henry meinetwegen getötet. Dabei hatte sie eigentlich eine andere Mission. Was ein wahnsinniger Drache tun könnte … Ich darf gar nicht daran denken.«
    Vorsichtig navigierte ich um ein steckengebliebenes Auto herum.
    Es wurde wieder kälter, und auf dem festgefahrenen Schnee bildete sich allmählich eine Eisschicht auf den Straßen. Der Verkehr tagsüber hatte die oberste Schicht angeschmolzen, die jetzt zu blankem Eis gefrieren würde. Die Leute in Seattle konnten bei winterlichen Verhältnissen einfach nicht Auto fahren, und ich war kein bisschen besser. Ich hatte nur bessere Reflexe als die meisten VBM.
    In den Vororten konnte ich nicht mehr schneller als dreißig fahren, wenn ich nicht im Graben landen wollte. Als ich endlich in unsere Einfahrt abbog, seufzte ich erleichtert auf. Das Haus strahlte so heimelig wie auf einem der Heile-Welt-Bilder von Thomas Kinkade.
    Wir stapften durch den Schnee zur Vordertreppe – hier hatte zwar jemand Schnee geschippt, aber es bildete sich schon wieder eine frische Schicht. Jetzt spürte ich die Kälte richtig. Die Temperatur sank rasch, für heute Nacht wurden um die minus zehn Grad erwartet. Das würde morgen früh eine reizende Fahrt zur Arbeit werden.
    »Wenn es jetzt schon so kalt ist, was wird erst heute Nacht?«
    Delilah nickte. »Ich wäre wirklich froh, wenn Menolly ihren Jaguar stehen lassen und einen schönen langen Spaziergang zum Wayfarer machen würde. Die Kälte macht ihr ja nichts aus.«
    »Das ist eine gute Idee. Ihr würde bei einem Unfall zwar nicht viel passieren – normalerweise jedenfalls –, aber sie könnte andere in

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