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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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so mitgenommen, dass ich mich kaum rühren konnte, ohne aufzuschreien. Mein ganzer Körper tat weh. Und das Fieber kam vermutlich von den Wunden.
    Als Hanna und ich in dieser Höhle angekommen waren, hatte ich ihr gesagt, wie übel mir war. Sie hatte mir geholfen, möglichst viel zu erbrechen, und mir dann eine Tasse Tee in die Hand gedrückt. Nach ein paar Schlucken begannen die Knoten in meinem Magen sich zu lockern, und das Fieber sank.
    »Du bist eine geschickte Kräuterheilerin.«
    Sie nickte. Sie war sehr blass. Irgendetwas war passiert – ich spürte es, konnte aber nicht feststellen, was. »Ich habe Kräuter gezogen und den Frauen im Dorf als Hebamme geholfen, als … ich noch ein Zuhause hatte.« Dann hatte sie mich ins Bett gebracht und mir den Kopf gestreichelt, bis ich in unruhigen Schlaf gesunken war.
    Jetzt richtete ich mich mühsam auf, hustete zähen Schleim in einen alten Lumpen, und sie drückte mir einen Wasserschlauch in die Hand.
    »Trink reichlich.«
    Das tat ich, bis ich wieder sprechen konnte. »Was ist los? Verlangt er schon wieder nach mir?« O bitte, nur das nicht, betete ich im Stillen.
    Hanna holte tief Luft und kniete sich neben mich. »Ich glaube, ich kann dich hier rausbringen. Hyto ist vor einer knappen Stunde ausgeflogen, um zu jagen. Wenn er auf die Jagd geht, ist er immer mindestens einen ganzen Tag lang fort, manchmal auch zwei. Ich werde dir helfen. Du wirst es vielleicht trotzdem nicht schaffen, aber das ist besser, als hierzubleiben und dich von ihm zerstören zu lassen. Er war so furchtbar wütend … Ich glaube nicht, dass du eine weitere Runde überleben würdest.«
    Sie drückte mir warme Kleidung in die Hand, Leinen und Pelz, und ein Paar fellgefütterte Lederstiefel. »Ich darf mir nicht erlauben, weiterhin an seinen Verbrechen beteiligt zu sein. Walhalla werde ich niemals sehen, aber vielleicht kann ich meine Ehre in den Augen der Götter ein wenig wiederherstellen.«
    »Was ist mit deinem Sohn?«, fragte ich und schaute instinktiv zu dem Käfig hinüber. Ihr Sohn hockte darin, aber reglos zusammengesackt. Ich wusste sofort, dass er nicht schlief.
    »Ach, Hanna …«
    »Hyto hat ihn gefoltert, um mich zu quälen und zu beherrschen. Ich habe dir ja gesagt, dass mein Sohn seit fünf Jahren da drin eingeschlossen ist – er durfte den Käfig nicht ein einziges Mal verlassen. Er ist völlig verwildert. Als wäre er nie unter Menschen aufgewachsen. Ich habe versucht, ihn bei Verstand zu halten, mit ihm zu sprechen, aber er hatte keinerlei Erleichterung, konnte sich nie ausstrecken, ein bisschen bewegen. Er konnte sich flach hinlegen, aber seit der Herr uns hierhergebracht hat, durfte er nicht ein einziges Mal stehen.« Sie presste die Fingerknöchel an die Lippen. »Ich war selbstsüchtig. Nachdem ich dich vorhin zurückgeholt hatte, habe ich meinen Sohn angesehen und erkannt, dass er nicht mehr da sein sollte. Sein Leben war ein Albtraum. Irgendwann während dieser Zeit hat er … den Verstand verloren. Das ist kein Leben, und ich habe keine Chance, ihn zu befreien. Das ist mir nun bewusst geworden. Also habe ich beschlossen, das Einzige zu tun, was ich tun kann. Das Einzige, was eine gute Mutter noch für ihn tun konnte.« Sie fing meinen Blick auf, und die Qual in ihrem Gesicht war unerträglich.
    »Hätten wir den Käfig nicht aufbrechen können?« Dass sie ihren Sohn getötet hatte, erschütterte mich zutiefst. Doch dann legte sie die Hand auf meinen Arm.
    »Glaub nicht, ich hätte meinen Sohn um deinetwillen getötet. Der Käfig … ist magisch verschlossen. Im Lauf der Jahre habe ich alles versucht, was mir nur einfallen wollte, aber er ließ sich nicht öffnen, auch nicht aufbrechen. Drachenmagie ist knifflig und gefährlich. Und mein Sohn … im Grunde habe ich ihn schon vor Jahren verloren. Ich habe ihn versorgt, ihm etwas vorgesungen, mit ihm gesprochen … aber er hörte nur noch den Klang meiner Stimme, ohne die Worte zu verstehen. Er hat sich völlig in sich zurückgezogen. Von dem Jungen, den ich geboren habe, war nichts mehr da außer einer leeren Hülle. Ich habe ihm einen Schlaftrunk gegeben, der ihn für immer hat einschlafen lassen. Und dann habe ich ihn ein letztes Mal in den Schlaf gesungen.« Tränen erstickten ihre Stimme, sie stieß einen heiseren Schrei aus und barg das Gesicht in den Händen. Ich schlang die Arme um sie und hielt sie fest, bis sie sich spürbar zusammenriss und sich wieder aufrichtete.
    Sie stieß einen zittrigen Atemzug

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