Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
Vom Netzwerk:
tief und langsam zu atmen, bis ich mich wieder stark genug fühlte, um weiterzugehen.
    Hanna führte mich von dem verschneiten Pfad weg, was mir gefährlich erschien. Aber wir durften es nicht wagen, über offenes Gelände zu spazieren. Selbst in weißer Tarnkleidung würden wir aus der Luft leicht zu entdecken sein. Ich fand es schon erstaunlich, dass wir überhaupt so weit gekommen waren, ohne erwischt zu werden oder taub vor Kälte einfach umzukippen.
    Nachdem wir uns eine weitere halbe Stunde durch den Schnee gekämpft hatten, bedeutete sie mir, mit ihr unter einen der Bäume zu kriechen, wo wir ein wenig Schutz vor dem Wind finden würden. Ich schob mich unter den tief hängenden Ästen durch, und dabei fiel mein Blick auf die Bergflanke über uns. Der Höhleneingang war immer noch zu sehen, aber nur als winziger dunkler Fleck vor schier endlosem Weiß.
    Hanna und ich kauerten uns dicht zusammen, um uns zu wärmen, und sie tastete in den Falten ihres Umhangs herum und holte ein großes Brötchen mit einer dicken Scheibe Käse hervor. Sie brach es mittendurch und reichte mir die Hälfte.
    »Danke«, flüsterte ich, heiser vor Kälte. Das Brötchen war trocken und hart, aber ich spülte es mit ein paar Schlucken Wasser herunter. Nachdem ich zum Schluss noch einmal reichlich getrunken hatte, folgte ich ihrem Beispiel und stopfte Schnee in den Wasserschlauch, der zu frischem Wasser schmelzen würde.
    »Nichts zu danken, Camille. Wir werden reichlich essen müssen. Ein langer Weg liegt vor uns, ehe wir irgendwo in Sicherheit sein werden, und ich bin wirklich nicht sicher, ob wir das schaffen. Aber Hels Röcke könnten wir morgen früh erreichen. Vielleicht müssen wir ein Stück weiter unten über Nacht lagern. Ich würde ja im Schutz der Bäume bleiben, aber das ist aus einem Grund gefährlich.« Sie warf mir einen Blick zu, als überlegte sie, ob sie mir die schlechte Neuigkeit zumuten sollte.
    Aber meine eigene Phantasie war nur allzu lebhaft. »Lass mich raten: Hyto kommt nach Hause, stellt fest, dass wir weg sind, und vermutet, dass wir uns unter irgendwelchen Bäumen verstecken. Also fackelt er jeden einzelnen ab, von hier bis zum Fuß des Berges.«
    Sie blinzelte. »Ja, das war meine Befürchtung. Aber ich wollte dich nicht beunruhigen.«
    Ich biss mir auf die Lippe, denn allzu viel wollte ich nicht preisgeben. »In der Erdwelt … wo ich jetzt lebe … stehen wir einer viel größeren Gefahr als Hyto gegenüber. Du kannst mir glauben, dass ich mir schon so ziemlich alles vorgestellt habe, was groß, übel und irgendwie denkbar ist.« Ich starrte auf die riesigen, kahlen Schneeflächen, die sich unter uns ausbreiteten. »Wenn er tatsächlich beschließen sollte, die Wälder niederzubrennen, müssten wir doch mitbekommen, was da passiert, ehe er uns trifft. Schlimmstenfalls fängt er uns wieder ein. Und wenn ich mir ausmale, was er sich dann für uns einfallen lassen wird, würde ich ehrlich gesagt lieber in einem Waldbrand umkommen.«
    Hanna biss sich nun auf die Lippe. »Ja, da hast du recht. Wenn er uns erwischt, wird er mich nur töten, aber dich …«
    »Ich weiß«, flüsterte ich. »Ich weiß.« Die Qualen, die er mir schon bereitet hatte, waren übel gewesen, aber mir war klar, dass es noch viel schlimmer werden könnte.
    »Komm, trink noch einen Schluck, dann gehen wir weiter. Je eher wir die Gletscher erreichen, desto schneller sind wir bei deinem Freund, dem Schneefürsten.« Sie streckte eine Hand aus und hievte mich hoch. Die Blutergüsse und Striemen auf meinem Rücken und meinen Oberschenkeln flammten protestierend auf, doch ich biss mir wiederum auf die Lippe. Hanna hatte alles aufgegeben, um mir zur Flucht zu verhelfen. Da würde ich wegen ein paar Schrammen nicht herumjammern.

    Während des restlichen Tages sahen wir keine Spur von Hyto, und das Wetter hielt. Den Fuß des hohen Hangs, wo das Schneefeld ebener wurde, ehe es in Hels Röcke überging, erreichten wir in der Abenddämmerung. Ich wäre viel lieber weitergegangen, aber ein falscher Schritt auf den verschneiten Felsen, und wir würden uns das Bein brechen oder Schlimmeres. Wir fanden ein Grüppchen aufragender Felsbrocken und kauerten uns dahinter zusammen, um uns ein wenig vor dem Wind zu schützen.
    Hanna schlug vor, als zusätzlichen Schutz den Schnee an den Seiten aufzuhäufen. Also suchten wir uns zwei große Felsen mit genügend Abstand, damit wir uns dazwischen hinlegen konnten, und schoben den Schnee darum herum zusammen.

Weitere Kostenlose Bücher