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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Blick ab, doch ich hatte den Kummer in seinen wirbelnden Augen gesehen. Auf einmal verstand ich – er gab sich selbst die Schuld an meinem Zustand. Das letzte Restchen Wut auf ihn löste sich auf, und ich trat zu ihm, mit Tränen in den Augen.
    »Das war nicht deine Schuld. Auch nicht Smokys oder meine. Der Einzige, der daran Schuld hat, ist Hyto. Er ist derjenige, der mich misshandelt hat.«
    »Aber wenn ich nicht gewesen wäre … wenn … hätte Smoky dich nicht aus dem Haus gescheucht, wärst du ihm nicht in die Hände gefallen.« Die gestammelten Worte sprudelten nur so hervor, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, klang seine Stimme erstickt.
    »Nein, nein … Manchmal geschieht so etwas einfach. Manchmal spielt uns das Universum einen grässlichen Streich. Oder der Lauf der Welt ist einfach beschissen. Dumme Kleinigkeiten summieren sich zur Katastrophe … So etwas passiert eben, Vanzir. Ich mache dir keine Vorwürfe.« Als ich diese Worte aussprach, wurde etwas in mir so leicht, dass es davonflog – ein heimlicher, beinahe unbemerkter Groll, den ich seit jener Nacht in den Tunneln mit mir herumgetragen hatte.
    Vanzir holte tief Luft und begegnete meinem Blick. »Nicht?«
    »Nein. Dich trifft keine Schuld.«
    Rozurial blickte sich nervös um. »Es freut mich ja, dass ihr beiden euch so gut versteht, aber wir sollten uns schleunigst zu Smokys Bau aufmachen. Ich bringe dich übers Ionysische Meer dorthin, dann komme ich zurück und hole Hanna …«
    »Nein.« Vanzirs Stimme war so laut, dass sie wirkte wie ein Donnerschlag. »Wir können Camille auf keinen Fall dort draußen allein lassen. Ich nehme Hanna im Wagen mit. Du und Shade bringt Camille gemeinsam hin. Ich fahre erst bei den anderen vorbei und sage ihnen Bescheid – Delilah und Menolly müssten zu Hause sein.«
    »Menolly ganz sicher – es wird schon hell.« Ich zitterte. Der schneebedeckte Wald, in dem wir standen, kam mir immer kälter vor, und meine Kraft schwand schnell. Wenn meine Knie wieder nachgaben, würde ich wahrscheinlich nicht nur einknicken, sondern gleich in Ohnmacht fallen.
    Roz und Shade stimmten zu, und wir sprangen. Ich lehnte mich an Roz’ Schulter, in seinen Armen geborgen im Strudel der Reise über das Ionysische Meer.

    Ich öffnete die Augen und fand mich in einer riesigen Felsenhöhle wieder. Hyto ragte drohend über mir auf, eine stählerne Peitsche in der Hand, und sein verfluchtes Haar hielt mich um die Taille gepackt. Ich begann zu schreien, als er weit mit der Peitsche ausholte.
    »Wie hast du mich gefunden? Töte mich einfach … bitte, töte mich gleich.« Ich konnte keine Qualen mehr ertragen. Ich war kein Fels in der Brandung, nicht so stark, wie alle glaubten. »Ich bin schwach, ich bin so schwach. Ich kann niemandem mehr ein Anker sein. Ich kann nicht die Lasten aller anderen mittragen … Lass mich einfach in die Dunkelheit fallen. Bitte.«
    »Oh, die Dunkelheit wird dich noch verschlingen und nie wieder freilassen, Mädchen. Wenn ich mit dir fertig bin. Aber wir haben doch gerade erst angefangen, Camille. Du und ich, wir haben noch einen langen, dunklen Weg zusammen zu gehen.«
    Er lachte, und dann prasselten die Hiebe auf mich herab, einer nach dem anderen brannte wie heiße Glut. Als sich meine Haut von Muskeln und Knochen zu schälen begann, schrie ich nach Smoky, nach Trillian und Morio … nach meinen Schwestern … Ich wollte nicht so sterben, allein in den Händen eines Wahnsinnigen.

    »Camille! Camille, wach auf!«
    Eine Stimme drang durch meinen Schmerz, und ich fuhr schreiend aus dem Schlaf. Ich lag in dem gewaltigen Himmelbett im Schlafgemach von Smokys Bau und trug nichts als ein zartes Nachthemd, das lose über meine Wunden glitt. Langsam, schwindelig und wie verkatert, stemmte ich mich zum Sitzen hoch. Ich verzog das Gesicht und versuchte festzustellen, was eigentlich passiert war.
    Eine plötzliche Bewegung erschreckte mich, und ich verkroch mich hastig rückwärts in die dicken Kissen und zog mir die Bettdecke beinahe über den Kopf. Mein Herz raste, und einen Moment lang sah ich nur verschwommen. Doch dann erkannte ich, dass es Vanzir war, der mich geweckt hatte. Und Hanna, die im nahen Schaukelstuhl schlief.
    Ich bemühte mich, ruhiger zu atmen, und er schlang die Arme um mich und hielt mich ruhig fest, bis meine Tränen versiegten. Dann schob er mich sacht von sich und reichte mir ein Taschentuch.
    »Ich habe immer noch Albträume von meiner Zeit bei Karvanak«, sagte er

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