Hexentage
verließ eilig die Kammer.
Jakob war sich nicht sicher, ob er Wilhelm Peltzer wirklich in der Hakenstraße antreffen würde. Der Gerichtstag sollte um zehn Uhr beginnen, also in knapp zwei Stunden. Es war anzunehmen, daß Peltzer schon zeitig das Rathaus aufsuchen würde, aber Jakob hoffte, daß es ihm möglich war, vorher noch einige Worte mit dem Bürgermeister unter vier Augen zu wechseln.
Eine ältliche Frau aus dem Gesinde öffnete ihm die Tür. Jakob fragte nach Peltzer, und sie bat ihn, in einer kleinen Stube zu warten. Peltzer war also anwesend. Jakob atmete erleichtert auf.
Nach einer Weile trat der Bürgermeister ein. »Ich hatte kaum mehr erwartet, daß Ihr mich aufsuchen würdet.« Er musterte Jakob abschätzend. »Klart Euer Verstand endlich auf? Es scheint mir, als könntet Ihr Euch langsam aus den Fesseln dieser Hexe befreien.«
Jakob ärgerten die demütigenden Worte, aber er schluckte seine Wut hinunter. »Ich glaube nicht, daß mein Verstand während der letzten Tage allzu sehr getrübt war.«
»Da bin ich anderer Ansicht.«
»Ihr sorgt Euch um meine Zukunft?«
»Wundert Ihr Euch darüber?«
Jakob zögerte. »Was also verlangt Ihr von mir?«
Peltzer verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Verlan gen ? Ihr wart mein Gast, ich habe nichts von Euch zu verlangen. |284| Aber ich werde Euch einen guten Rat geben. Vergeßt die Hexe Meddersheim, kehrt zurück nach Minden, nehmt Eure Studien wieder auf und heiratet Agnes Laurentz, die Euch ein gutes und gottesfürchtiges Eheweib sein wird.«
»Ich werde all das tun. Wenn Ihr es wünscht, verlasse ich so schnell wie möglich die Stadt und kehre nach Minden zurück. Zuvor allerdings möchte ich jedoch mit eigenen Augen sehen, daß Sara Meddersheim die Freiheit geschenkt wird.«
»Die Meddersheim?« fragte Peltzer stirnrunzelnd. »Was redet Ihr für einen Unsinn? Die Meddersheim steht unter dem dringenden Verdacht der Hexerei. Diese schwerwiegenden Vorwürfe müssen untersucht und geprüft werden. Sie ist eine Gefahr für alle rechtschaffenen Bürger. Wie könnt Ihr von mir verlangen, sie auf freien Fuß zu setzen?«
Diese Antwort verwirrte Jakob. Er hatte fest damit gerechnet, daß der Bürgermeister Sara nur aus einem einzigen Grund hatte verhaften lassen: um ihn zu dem zu bekehren, was Peltzer als Vernunft ansah. Warum verweigerte der Bürgermeister sich ihm nun? Welchen Zweck verfolgten diese Winkelzüge?
»Ihr könntet dafür sorgen, daß sie entlastet wird. Ich weiß, daß Ihr die Möglichkeiten dazu habt« sagte Jakob.
»Niemals würde ich das Gesetz hintergehen«, erwiderte Peltzer mit einem solch unerschütterlichen Gleichmut, daß Jakob ihm diese Worte vielleicht tatsächlich geglaubt hätte, wenn er nicht längst die dunkle Wahrheit hinter dem scheinbar so überaus rechtschaffenen Bild des Bürgermeisters erkannt hätte.
»Ihr wollt mir also nicht entgegenkommen?«
»Ich sehe keinen Anlaß dazu.«
»Warum habt Ihr mich dann überhaupt hierher bestellt?«
Es bedurfte keiner Antwort aus dem Munde des Bürgermeisters, denn aus der Tür neben Peltzer traten plötzlich zwei Personen, die offenbar von dem Streit herbeigelockt worden waren. Die Überraschung ließ Jakob zusammenfahren.
»Jakob«, sagte Agnes und machte einen Schritt auf ihn zu. Fast |285| glaubte er einen Anflug von Sorge in ihrem bleichen Gesicht zu erkennen. »Jakob, was ist mit dir geschehen?«
»Der Satan hat seine Finger nach ihm ausgestreckt«, erklärte Johann Albrecht Laurentz, der sich neben Peltzer aufstellte und Jakob mit festem, vorwurfsvollen Blick fixierte.
Jakob löste sich aus der Starre und fragte Agnes: »Warum bist du hier?«
»Der Bürgermeister hat uns eine Depesche geschickt und uns berichtet, was hier vorgefallen ist.« Sie faltete ihre Hände wie zu einem Gebet. »O Jakob, man hätte dich nicht in dieser vom Bösen heimgesuchten Stadt zurücklassen dürfen. Du bist schwach und empfänglich für die Verlockungen des Satans. Ich habe es immer gewußt und jeden Tag den Herrn angefleht, seine schützende Hand über dich zu halten.«
»Welch ein Unsinn«, widersprach Jakob. »Du überschätzt den Einfluß des Teufels. Diese ganze Stadt scheint einem Wahn verfallen zu sein.«
»Haltet den Mund!« wies ihn Laurentz barsch zurecht. »Wollt Ihr alles noch schlimmer machen? Euer freches und ungebührliches Verhalten, mit dem Ihr das Vertrauen unseres Freundes Peltzers mißbraucht habt, ist schon jetzt kaum mehr zu entschuldigen.«
Der
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