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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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ersten Mal etwas über Löwen, Kamele oder auch Elefanten erfahren, und anhand der Illustrationen in diesem Werk konnte er sich auch ein genaues Bild von den exotischen Geschöpfen machen. Fasziniert berührte er mit einer Fingerkuppe den Rüssel des Elefanten und strich behutsam über dessen gebogene Miniaturstoßzähne.
    Auf einem Schreibpult fielen ihm mehrere lose Blätter auf. Er hob sie verstohlen an und betrachtete die Zeichnungen darauf. Sie zeigten Menschen in ungewöhnlicher Kleidung mit Turbanen auf dem Kopf; dazu Häuser und Städte, die von seltsamen, rundlichen Kuppelbauten dominiert wurden, und weitere fremdartige Tiere.
    Daneben lag ein aufgeklapptes Buch. Die Seiten waren mit seltsam anmutenden, schwarzen und goldenen Schriftzeichen versehen worden. Jakob vermutete, daß es sich dabei um eine arabische Schrift handelte.
    All diese sonderbaren und aufregenden Gegenstände ließen ihn fast vergessen, aus welchem Grund er überhaupt Saras Kammer betreten hatte. Unter Saras Bett fand er endlich einen Nachttopf. Er zog das Gefäß hervor und erleichterte sich rasch.
    |88| Danach ließ er seinen Blick noch einmal über das sonderbare Inventar streifen. Welche Geheimnisse mochte diese Sara Meddersheim noch verbergen? War sie am Ende etwa doch eine Hexe? Eine gewöhnliche Handwerkertochter war sie auf jeden Fall nicht.
    Zurück in seiner Kammer zog er den Mantel über und bedeckte damit das blutige Hemd. Er machte sich daran, die Treppe hinabzusteigen. Die vorsichtigen Schritte auf den Stufen verursachten heftige Schmerzen an der Hüfte. Vorsichtig tastete er sich an der Wand entlang, in panischer Sorge, seine Beine könnte ihm hier auf der Treppe den Dienst versagen.
    Er hatte erst wenige Stufen hinter sich gelassen, als unten am Treppenabsatz ein korpulentes junges Mädchen auftauchte, zu ihm hochschaute und albern grinste. Ihre Pupillen waren seltsam verdreht, und als sie den Mund verzog, entblößte sie eine Reihe schiefer Zähne. Kichernd drehte sie sich um und lief davon.
    Jakob trat in eine geräumige Diele ein, die das typische Bild einer Goldschmiedewerkstatt bot. An der hinteren Wand befand sich der Schmelzofen, dessen Glut mit einem an der Decke angebrachten Blasebalg angefacht wurde. Hinter dem größten Fenster war ein Werktisch aufgestellt, an dem die Feinarbeit verrichtet wurde. Der Boden unter diesem Tisch war mit einem Lattenrost versehen. So sollte wohl verhindert werden, daß die kostbaren Goldspäne, die während des Gravierens, Feilens und Ziselierens zu Boden fielen, an den Schuhsohlen haften blieben.
    In dieser Diele war nicht nur die Werkstatt untergebracht, sondern auch ein Verschlag für zwei Ziegen und drei Schweine, die hinter einem halbhohen Gatter von dem Mädchen versorgt wurden. Während sie die Ziegen melkte, spähte sie immer wieder neugierig zu Jakob herüber. Außerdem gab es hier noch einen Ladentisch mit einer Goldwaage. Hinter diesem Ladentisch war eine Regal in die Wand eingelassen worden, auf dem mehrere kunstvoll verzierte Pokale, Statuetten und Waffen ausgestellt |89| waren. Jakob betrachtete die Arbeiten aus der Nähe und stellte respektvoll fest, daß dies einige der feinsten Goldschmiedearbeiten waren, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Vor allem eine der Miniaturen zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Es handelte sich um die weitere Nachbildung eines Elefanten; sie war jedoch nicht aus Holz wie in Saras Zimmer, sondern aus purem Gold gefertigt. Ein wunderbares Objekt, versehen mit Ziselierungen und fein herausgearbeiteten Ornamenten, die wahres künstlerisches Talent voraussetzten.
    Neben dem Regal befand sich ein Holzschnitt, der einen Bischof mit Krummstab und Hammer zeigte. Seinen Kopf umgab der Nimbus eines Heiligen.
    »Sankt Eligius, der Schutzpatron der Goldschmiede«, erklang eine Stimme hinter Jakob. Er drehte sich um und stand einem etwa fünfzigjährigen Mann mit schütterem Haar und einem von grauen Strähnen durchzogenen Vollbart gegenüber, der ihn mit freundlichen Augen musterte. In seiner Hand hielt er eine hölzerne Pfeife, aus der ein würziger Geruch aufstieg. Die Tabakpflanze war vor wenigen Jahren aus der neuen Welt jenseits des Atlantiks nach Europa gebracht worden, und es hatte sich schnell die Mode gebildet, den Rauch des Tabaks, der auf den Geist angenehm beruhigend wirkte, in den Körper strömen zu lassen.
    »Es existiert die Legende, daß Eligius den Pferden die Füße abgeschnitten hat, um sich die Arbeit zu erleichtern«, fuhr der

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