Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
Vom Netzwerk:
gewonnen wurde.
    Anna Ameldung schloß die Medizin dankbar in ihre Faust. »Die Arznei ist mir nicht unbekannt. Sara hat sie einst von ihren Reisen mitgebracht und mich von ihrer Wirksamkeit überzeugt.«
    »Außerdem gab sie mir dies hier gegen das Fieber mit.«
    Anna nahm das zweite Pulver, roch an dem Stoff, in den es eingewickelt war, und seufzte zufrieden. »Galgant. Es wird das Fieber senken.«
    Auch die Zutaten zu dem dritten Pulver, das er ihr gab, erkannte sie trotz des widerwärtigen Gestanks im Kerker sofort.
    »Aloe, Myrrhe, Lattich und natürlich Kampfer. Wie lange habe ich schon nicht mehr so etwas Wunderbares gerochen!«
    »Sara meinte, es wird Euch kräftigen.«
    »Üblicherweise mischt man die bitteren Kräuter in warmen Honigwurz, aber so wird auch das Wasser, das man uns bringt, genügen müssen.«
    Die Apothekerin verstaute die drei Pulversäckchen unter ihrer Decke und bedankte sich mit einem matten Lächeln.
    |138| »Sagt mir, wie ist Euer Name«, raunte sie, doch schon im selben Moment legte sie einen Finger auf seinen Mund und bat ihn zu schweigen. »Nein, sprecht ihn nicht aus. Es ist besser, Ihr bleibt ein Fremder für mich. Falls man mich der Folter unterziehen sollte, könnte es böse für Euch ausgehen, wenn ich Euren Namen preisgäbe.«
    Jakob nickte verhalten. Rasch tastete er in seinem Leinensack nach der Messingdose, dem letzten Gegenstand, den Sara ihm mit auf den Weg gegeben hatte.
    »Das was ich Euch nun gebe, mag etwas seltsam anmuten, aber Sara war überzeugt davon, daß es Euch Kraft schenken wird.« Jakob nahm die Dose und öffnete den Deckel. Zwischen Daumen und Zeigefinger zog er vorsichtig die prächtige Blüte einer weißen Lilie hervor und legte sie in die Hände der Apothekerin.
    Anna senkte ihren Kopf und schwieg. Jakob fiel auf, daß ihre Hände zitterten.
    Als sie wieder aufschaute, konnte er Tränen auf ihrem Gesicht erkennen, die ihre Wangen hinab perlten. Es bestürzte ihn, sie weinen zu sehen, und für einen Moment geriet er in Versuchung, sie in die Arme zu schließen und ihr Trost zu spenden.
    Die Apothekerin legte die Lilie behutsam auf dem Stroh ab, nahm Jakobs rechte Hand und bedeckte sie mit Küssen. Ein wahrer Sturzbach an Tränen lief über ihr Gesicht.
    »Gott hat Euch geschickt. Er hat mich nicht verlassen«, brachte sie schluchzend hervor.
    Jakob fühlte sich beschämt. Er wollte ihr seine Hand entziehen, doch sie klammerte sich daran, als wäre sie der letzte Halt vor einem klaffenden Abgrund. Erst als Jakob auf der Treppe Schritte vernahm, entzog er sich ihr abrupt und stand auf. Die Dose fiel scheppernd zu Boden. Hastig bückte er sich und steckte sie ein.
    Jakob hatte einen der Wachmänner erwartet, doch als er sich umdrehte, sah er die Gestalt des Scharfrichters in der Tür. Matthias |139| Klare stellte eine Kupferkanne ab und baute sich mit verschränkten Armen vor Jakob auf. Ein Bild schoß Jakob durch den Kopf. Für einen kurzen Augenblick sah er sich in seine Vision zurückversetzt, in der ihn ein entsetzter Matthias Klare zu Boden stieß.
    »Was geht hier vor sich?« verlangte Klare zu wissen.
    Der feindselige Ton, der in den Worten des Scharfrichters lag, verunsicherte Jakob. Hatte er das Scheppern der Dose bemerkt? Oder war Klare womöglich aufgefallen, daß Jakob etwas vor ihm unter seiner Schärpe versteckt hatte?
    »Bürgermeister Peltzer hat mir die Erlaubnis ausgestellt, mit den Gefangenen zu sprechen.« Jakob reichte Klare das Schriftstück. Der Scharfrichter überflog es kurz und gab es Jakob zurück.
    »Habt Ihr erledigt, weshalb Ihr gekommen seid?«
    Jakob nickte.
    »Dann geht.« Der Scharfrichter hob den Kübel auf einen Holzschemel und füllte zwei Holzschalen mit einer dampfenden Gemüsebrühe. Es mißfiel Jakob, wie respektlos Klare mit ihm sprach, doch wahrscheinlich war es wirklich ratsam, den Bucksturm so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
    Er wandte sich noch einmal zu Anna Ameldung um, die ihre Pulver und die Lilienblüte unter dem Umhang verbarg und teilnahmslos ihr karges Mahl aus den Händen des Scharfrichters entgegennahm.
    Wortlos stahl Jakob sich davon, eilte über die Treppe zwei Stockwerke tiefer in den Raum, in dem sich der Eichenkasten des Grafen von Hoya befand, und stützte sich schnaufend an die Wand. Er zitterte vor Aufregung. Alles war nach Plan verlaufen, bis der Scharfrichter die Zelle betreten hatte. Jakob ärgerte sich über die Unsicherheit, die er Klare gegenüber an den Tag gelegt hatte, doch

Weitere Kostenlose Bücher