Hexentage
etwas anderes an Klare, das ihn wie ein Blitz getroffen hatte, beunruhigte ihn weitaus stärker.
|140| Jakob hatte es bemerkt, als er Klare das Schreiben gereicht und der Henker seine Hand ausgestreckt hatte.
Die Hand war von vernarbten Brandwunden gezeichnet.
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Kapitel 15
Jakob mahnte sich zur Besonnenheit, doch seine Beine waren weich wie Wachs, als er hastig die Wachstube durchquerte und wortlos die neugierigen Blicke über sich ergehen ließ, die sein ungestümer Aufbruch hervorrief. Sogar das Würfelspiel wurde unterbrochen. Jakob kümmerte sich nicht um die Männer und stürzte auf den Wehrgang. Hinter sich konnte er hören, wie die Männer über ihn lachten.
Draußen unter freiem Himmel gelang es ihm endlich, die Situation vernünftig abzuschätzen. Würde sein seltsames Verhalten Matthias Klare dazu veranlassen, dem Bürgermeister Peltzer Bericht zu erstatten? Er glaubte nicht daran. Bei seinem ersten Besuch im Bucksturm war Jakob aufgefallen, daß der Scharfrichter und der Bürgermeister einen recht kühlen Umgang miteinander pflegten. Dennoch war es möglich, daß Matthias Klare diesen ungebührlichen Kontakt zu den Gefangenen dem Rat oder Peltzer persönlich meldete.
Sei’s drum,
sagte er sich,
ich führe die schriftliche Erlaubnis des Bürgermeisters mit mir.
Diese Überlegung macht ihm Mut, aber wenn er an den Scharfrichter dachte, spürte er ein großes Unbehagen. Er sah das Antlitz des Matthias Klare vor sich, seine hellen, intelligenten Augen, die sofort erfaßt hatten, daß Jakob ein schlechtes Gewissen plagte.
Jakob trat bis zur Treppe am westlichen Stadttor, wo er den Wehrgang verließ. Die Sonne war bereits untergegangen und hatte einer finsteren Nacht Platz gemacht. Plötzlich mußte er daran denken, daß Sara gewiß schon ungeduldig in ihrer Kammer |141| auf ihn wartete, um zu erfahren, ob sein Vorhaben von Erfolg gekrönt war.
Als er die Straße betrat und sich auf den Weg in die Neustadt machen wollte, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Jakob fuhr zusammen und befürchtete, der Scharfrichter wäre ihm gefolgt, um ihn zur Rede zu stellen. Als er sich erschrocken umwandte, stand er vor Sara, die sich an ihn herangeschlichen hatte.
»Sara, habt Ihr mich erschreckt!« stieß er hervor.
»Das tut mir leid.«
»Was macht Ihr hier? Wir hatten ausgemacht, uns im Haus Eures Vaters zu treffen.«
Sara lächelte verlegen. »Verzeiht mir. Ich hielt es vor Neugierde nicht mehr im Haus aus, und darum habe ich mich auf den Weg gemacht, um Euch hier abzufangen.«
Jakob ärgerte sich über ihren Leichtsinn. Sein Treffen mit Anna Ameldung barg eine große Gefahr – nicht nur für ihn, sondern auch für Sara, wenn sie zusammen mit ihm hier gesehen wurde. Oder war sie etwa nur gekommen, weil sie an ihm zweifelte? Wollte sie sich vielleicht nur Gewißheit darüber verschaffen, ob er tatsächlich den Mut aufgebracht hatte, den Gefangenen im Bucksturm entgegenzutreten?
»Laßt uns gehen«, drängte er sie. Jakob trat voran und eilte so rasch die Straße hinunter, daß Sara Mühe hatte ihm zu folgen. Schon nach wenigen Minuten blieb sie außer Atem zurück.
»Jakob, wartet«, rief sie. Er hielt an, drehte sich um und ging auf sie zu.
»Was ist los mit Euch?« fragte Sara und schnappte nach Luft. »Warum seid Ihr derart angespannt?«
Obwohl die Straße um diese Zeit menschenleer war, zog Jakob die junge Frau in eine düstere Brandgasse zwischen zwei Häusern, wo sie vor neugierigen Blicken geschützt waren. Der enge Durchgang zwang sie dazu, sich aneinander zu drängen. Saras Brüste wurden dabei an Jakobs Wams gedrückt, was ihn einen Moment lang irritierte.
|142| »Ich habe Angst«, flüsterte er heiser.
»Angst? Wovor?«
»Vor diesem Gefängnis, vor dem Leid, das ich darin gesehen habe, und vor allem habe ich Angst um Euch.«
»Sorgt Euch nicht um mich.«
»Der Scharfrichter hat mich überrascht. Er betrat die Zelle in dem Augenblick, als ich Anna Ameldung die Lilie gab. Ich glaube zwar nicht, daß er die Blume gesehen hat, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Was, wenn ich seinen Argwohn erregt haben sollte?«
»Klare wird diesem Vorfall keine Bedeutung beimessen«, beschwichtigte ihn Sara. »Aber nun berichtet mir von Anna. In welcher Verfassung befindet sie sich?«
»Die Wunde an ihrem Fußgelenk hat sich nicht entzündet. Der Scharfrichter hat die eitrige Wunde gesäubert, doch die Apothekerin fiebert noch immer.«
»Die Pulver werden helfen. Trotzdem mache ich mir große
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