Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)
schienen Jahre vergangenzu sein, seit er Charlotta und ihren Bruder heil hier herausgebracht und damit sein ganzes bisheriges Leben und seine Gefühle auf den Kopf gestellt hatte.
Die Sonne stand eine Handbreit über dem Horizont und warf rötliche Lichter auf Hausdächer und abbröckelnden Rauchfänge. Gelegentlich fielen die Strahlen zwischen den Häusern hindurch, holten die trostlose Umgebung aus den Schatten und zeigten dabei deutlich Armut und Verfall. Cyrill versuchte, festzustellen, ob sich Arsakes oder seine Geschöpfe bereits hier befanden. Er schloss halb die Augen, als er lauschte, aber alles, was er wahrnehmen konnte, waren Menschen, die sich in Erwartung der Dämmerung eiligst in ihre Häuser zurückzogen. Er verzog bitter den Mund, wenn er sich vorstellte, wie sie die Nacht an ihren Feuern hockten, obwohl sie kaum genügend zu essen hatten, geschweige denn ein paar Shilling für Holz und Kohle. Als würde ihnen das Feuer etwas nutzen. Die einzige Sicherheit gaben ihnen die ungeschriebenen Gesetze der hier lebenden Clans, die London zu ihrer Heimat erkoren hatten und möglichst unauffällig hier leben wollten. Sollte aber Arsakes tatsächlich die Macht übernehmen, war ganz London nicht mehr sicher.
Sein Gesicht wurde hart. Er hätte schon längst etwas unternehmen müssen, um Arsakes in seine Schranken zu weisen. Aber zuerst war er zu gleichgültig gewesen, und dann hatte er nichts anderes im Kopf gehabt als Charlotta. Und wäre sie nicht in Gefahr, würde er vermutlich immer noch in seinem Landhaus sitzen und wegsehen.
Er überquerte die Straße und ging um das Lagerhaus herum. Teils befanden sich noch zersprungene Glasscheiben in den bogenförmigen Fenstern, aber dort, wo sie fehlten, drang ein süßlicher, in der Kehle beißender Geruch nach Verwesung und Tod heraus, der selbst den Gestank des Unrats auf der Straße noch übertraf.
Cyrill stieg über tote Ratten hinweg, die vom letzten schweren Regenfall zusammen mit einem Berg Abfall im Rinnsal angeschwemmt worden waren, und näherte sich dem Eingang des Gebäudes. Die Präsenz von mehreren Wesen wurde mit jedem Schritt deutlicher. Vorsichtig stieß er die Tür auf und lauschte hinein. Hier oben befand sich niemand.
Er durchquerte die Halle, deren hohes Kreuzrippengewölbe die Schönheit der früheren Kirche erahnen ließ, und erreichte die Treppe zur Krypta. Die beiden Flügeltore, die Charlotta und ihn damals bei ihrer Flucht aufgehalten hatten, standen halb offen. Lautlos glitt er hindurch und stieg die Stufen hinab. Er verschmolz, am Ende der Steintreppe angekommen, mit den Schatten des lang gestreckten, von Säulen gestützten Raumes, während er sich langsam der kleinen Gruppe, die aus Theo, Merlot und Goranov,Arsakes Handlanger, bestand, zubewegte. Von Charlotta war nichts zu sehen.
Es hatte offenbar Streit gegeben, denn Theos Gefährte lag auf dem Boden und atmete schwer. Eine klaffende Wunde zog sich von seiner rechten Wange über sein Kinn, seinen Hals und seine Brust. Sein Hemd war aufgerissen. Theo kniete neben ihm und versuchte, ihm aufzuhelfen. Cyrill verzog den Mund. Es war höchste Zeit, Charlottas Bruder in Sicherheit zu bringen, und danach sie selbst zu suchen. Keiner von ihnen war Goranov gewachsen, und noch viel weniger Arsakes, dessen bedrohliche Präsenz Cyrill jetzt in der Ferne spürte.
Der Franzose taumelte, als er endlich stand, und Theo fasste ihn unter den Armen, um ihn zu halten und zu stützen. Die beiden gingen langsam zur Treppe.
Goranovs spöttische Stimme folgte ihnen. „Das war erst der Anfang, Merlot. Heute hast du und dein kleiner Freund noch Glück gehabt, aber das nächste Mal kommt ihr nicht so leicht davon.“
Cyrill sah mit unheilvoller Ahnung, dass Theo stehen blieb. Er sah sich um, und seine Augen funkelten zornig.
Goranov lehnte sich lässig mit dem Rücken an eine der Säulen, steckte die Hände in die Hosentaschen und betrachtete die beiden Männer mit einem überlegenen Grinsen. „Weder du noch dein Liebhaber habt hier mehr etwas verloren. Das ist mein Viertel. Wenn euch etwas nicht passt, so verschwindet nach Paris, wo der kleine Sauger herkommt, oder verkriecht euch bei deiner kleinen Nutte von Schwester.“
Cyrill bemerkte, wie Theos Gesicht vor Zorn so dunkel anlief, wie es einem Vampir noch möglich war. Vorsichtig setzte er seinen Freund auf einer der Holzbänke ab, dann wandte er sich mit geballten Fäusten auf Goranov zu. „Das nimmst du zurück, du elender Kerl!“ Zumindest
Weitere Kostenlose Bücher