Hexentraum
Sie mir etwas über diese neue männliche Hexe aus der verschollenen Cahors-Linie. Alex Carruthers.«
Ihre Augen weiteten sich. Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, und wünschte, sie müsse seine Haut nicht mehr an ihrer spüren. »Sie wissen von ihm?« Sie fragte sich, weshalb sie das überraschte. Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Wenn Sie wissen, dass es ihn gibt, müssten Sie doch auch alles andere über ihn wissen.« Ihre Angst verlieh ihr den Mut der Verzweiflung, und sie fügte hinzu: »Haben Sie denn keine Kristalle? Haben Sie uns nicht ausspioniert?«
Ein wegwerfendes Schulterzucken war seine ganze Antwort. Er nahm ihr den Kelch ab und hielt den Rand an ihre Lippen. Dann neigte er das Gefäß nach vorn und zwang sie, entweder zu trinken oder sich den Rum und die geschmolzene Butter über das Kinn laufen zu lassen.
Sie trank, denn der Alkohol wärmte sie und verlieh ihr ein wenig Mut. Dann räusperte sie sich und sagte: »Er ist sehr mächtig.«
»Tatsächlich.« Michael klang gespannt. »Er ist Ihr Cousin, nicht wahr?«
Sie fragte sich, ob er sie hereingelegt und so getan hatte, als wisse er viel mehr, als er in Wirklichkeit wusste. Aber es war zu spät, den Schaden ungeschehen zu machen, sofern sie denn welchen angerichtet hatte.
»Sofern«? Ich bin ihrer aller Untergang.
»Ein Vetter x-ten Grades bestenfalls. Ich weiß nicht genau, wie sie verwandt sind.« Sie bewegte leicht die Schultern. »Das ist alles so kompliziert.«
Er wirkte nicht überzeugt. »Aber Sie promovieren doch in Völkerkunde. Da sollte man meinen, dass Sie sich mit Verwandtschaftssystemen hervorragend auskennen.«
»Ich promoviere in Volkskunde«, korrigierte sie ihn.
»Oh. Pardon.« Er nahm ihr sacht den Kelch ab und trank einen kräftigen Schluck. Dann seufzte er zufrieden und gab ihn ihr zurück. »Sie sind aus freiem Willen hierhergekommen«, erinnerte er sie.
Wirklich?, hätte sie am liebsten erwidert. Sie war sich da nicht mehr so sicher... »Er verfügt über starke magische Fähigkeiten«, fuhr sie fort.
»Das muss er wohl, wenn er Holly schlagen konnte.«
Ein seltsames Klicken war auf dem Fliesenboden zu hören, ein bisschen wie von Hundekrallen, und dann ein hohes Kichern. Das Kichern hallte durch den Raum, während das tippelnde Geräusch sich rasch Kari näherte. Sie fuhr herum, schaute auf den Boden und schrie auf, als etwas an ihr vorbeizischte und auf Michaels Schulter landete.
Das Geschöpf war extrem hässlich und erinnerte mit seinen langen spitzen Ohren und dem scharf geschnittenen Gesicht an ein Reptil. Es war unbekleidet, hatte ledrige Haut und fauchte Kari fröhlich an. Dann legte es den Kopf schief und schwatzte Michael ins Ohr.
»Sssie versssucht, sssich zu befreien, ja, dasss tut sssie«, verkündete es und wies mit einem langen Finger über seine Schulter. »Sssie ssspielt verrückt.«
»Danke. Das ist kein Problem«, sagte Michael und tätschelte dem Ding den Kopf. »Geh und such dir eine tote Ratte zu essen, ja?« Er fegte das Ding von seiner Schulter. Es flog durch die Luft, landete auf dem Boden und huschte in die Dunkelheit davon.
Karis Knie gaben nach.
»Ach, wie gedankenlos von mir. Du bist sicher ganz erschöpft.«
Michael schnippte mit den Fingern. Ein Sessel mit leuchtend scharlachroten Polstern erschien plötzlich hinter Kari und stieß gegen ihre Waden. Sie fiel rücklings hinein und sank in die weiche Polsterung, die außerdem sehr warm war. Rum schwappte aus dem Kelch über ihr Handgelenk, und der Geruch von Muskat stieg zu ihr auf.
Sie trank einen Schluck, um sich zu beruhigen, und lehnte sich zurück. Erstaunt stellte sie fest, dass sie im Begriff war einzuschlafen. Er muss mich verzaubert haben. Es war dumm von mir, herzukommen. Ich hatte solche Angst ...
»Du hast das Richtige getan«, versicherte er ihr sanft. »Du hast die einzig vernünftige Entscheidung getroffen. Ich werde die anderen umbringen. Und mit Holly fange ich an.« Er wirkte sehr zufrieden mit sich.
»Jer...«, nuschelte Kari.
»Ich habe mich noch nicht entschieden.« Er beugte sich über sie und strich ihr das feuchte Haar aus der Stirn. Seine Augen waren fesselnd, sein Lächeln schrecklich.
»Ich habe Holly hier«, erzählte er ihr. »Wusstest du das? Und übernächste Nacht werde ich sie töten. Zum Windmond, und dann werde ich all ihre Macht in mich aufnehmen. Ich werde der stärkste und mächtigste Hexer in der Geschichte der Coventry sein.«
Er hob das Gesicht und
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