Hexentraum
Finger ihr Rückgrat hinauf. Amanda drehte sich um und erwartete, Kari hinter sich zu sehen. Stattdessen hatte eine Fremde das Flugzeug betreten, eine Frau mit kurzem Haar, ganz in Schwarz gekleidet, und sie hatte irgendetwas an sich...
»Hexerin!«, fauchte Pablo und wollte sich auf sie stürzen.
Jer riss den Arm hoch und fing ihn ab. »Pablo, nicht! Sie ist eine Freundin.«
»So weit würde ich nicht gehen«, sagte die Frau sarkastisch.
»Erklär uns das, Deveraux«, befahl Alex.
Jer warf einen Blick zu ihm hinüber. »Wer hat den denn zum Chef ernannt?«
»Frag lieber nicht«, brummte Tommy.
»Eve verfolgt meinen Vater, um ihn zu töten. Wir beide hatten also ein gemeinsames Ziel. Sie hat mir geholfen, Holly zu retten. Im Gegenzug nehmen wir sie mit nach London.«
Amanda starrte ihn fassungslos an. Schließlich fand sie die Sprache wieder. »Hältst du es für eine gute Idee, ein Mitglied des Obersten Zirkels wissen zu lassen, wohin wir wollen?«
»Streng genommen gehört Jeraud auch dem Obersten Zirkel an«, entgegnete Eve.
»Jetzt nicht mehr. Ich habe meinen eigenen Zirkel«, sagte Jer barsch.
»Und wo soll der sein?«, fragte Alex. Sein Tonfall war höhnisch.
Amanda beobachtete, wie die Muskeln in Jers Kiefer zuckten. Als er sprach, war seine Stimme ein gefährliches Fauchen. »Eines Tages bringe ich dich um.«
»Nicht, wenn ich dich zuerst umbringe.«
Amandas Vater trat zwischen die beiden. »Schluss jetzt, meine Herren. Lassen wir das.« Er strahlte große Autorität und Kraft aus. »Eines versichere ich euch: Sollte einer von euch damit anfangen, werde ich die Sache beenden.«
Schweigen senkte sich über die Männer. Keiner der beiden Kontrahenten wollte als Erster nachgeben. Das ist lächerlich, dachte Amanda. Dann brach sie die Stille. »Was ist mit Holly geschehen?«
Jer wandte sich ihr zu, und seine Streitlust verflog. »Wir mussten gegen Golems kämpfen. Einer von ihnen hat sie fast erwürgt. Irgendetwas hat die Kontrolle über sie übernommen, sie hat den Golem getötet und ist gestürzt. Seitdem ist sie bewusstlos.«
»Meine Hexen und Hexer, bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein und schnallen Sie sich an. Wir sind startbereit«, verkündete der Pilot per Lautsprecher.
Amanda wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
Holly schlief auf ihrem kleinen Hocker in der Mitte ihres Geistes. Alle schliefen. Es war friedlich, jedenfalls im Augenblick, aber bald würden alle aufwachen, und dann würde wieder Chaos herrschen. Chaos und Angst. Sie konnte sich kaum mehr an etwas anderes erinnern als Angst. Angst. Sie kannte sie so gut, erlebte sie immer und immer wieder, lebte damit, sie aß Angst, schlief darin und träumte davon. Genau wie in jener Nacht in ihrem eigenen Zimmer, in ihrem eigenen Zuhause. Das war noch gar nicht so lange her...
Familie Cathers: San Francisco 2001
Holly saß vor dem Fernseher, aß Popcorn und schaute sich mit ihren Eltern einen Film an. Es war Dienstagabend, und das war ihr Filmabend. Diese Familientradition gab es schon, solange sie zurückdenken konnte. Sogar der Ausflug in die Videothek gehörte zum Ritual, mitsamt der ewigen Auseinandersetzung: Frauenfilm oder Actionthriller.
Nun schauten sie The Sixth Sense, und allmählich wünschte sie, sie hätte ihrem Vater nachgegeben, der lieber einen John-Wayne-Film ausgeliehen hätte. Als der kleine Junge Bruce Willis sagte, er könne tote Menschen sehen, war sie den Tränen nahe.
»Wenigstens ist er nicht so brutal, wie ich befürchtet hatte«, bemerkte ihre Mutter.
»Das da ist schlimmer als Brutalität. Der reinste Psycho-Schocker«, protestierte ihr Vater.
Holly war geneigt, ihm recht zu geben. Ich kann mir nichts Beängstigenderes vorstellen, als einen Geist zu sehen.
Als der Film vorbei war, ging sie schnell den Flur entlang ins Bad und schaltete unterwegs sämtliche Lichter an. Zitternd starrte sie in den Spiegel. Nicht zu fassen, dass ich mich von diesem Film so habe erschrecken lassen, dachte sie.
Sie glaubte, hinter sich einen Schatten vorübergleiten zu sehen, und fuhr zusammen. Während sie sich die Zähne putzte und fürs Bett fertig machte, achtete sie darauf, nicht mehr in den Spiegel zu schauen.
Nachdem sie ihre Kleidung für den nächsten Tag zurechtgelegt hatte, war sie schon viel ruhiger. Bis ihre Mutter hereinkam, um ihr gute Nacht zu sagen, lag sie im Bett, und die Lider wurden ihr schwer.
»Ich habe dich lieb, mein Schatz.«
»Ich dich auch, Mom.«
»Alles in Ordnung?«
Holly
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