Hexentraum
lächelte. »Ja, und bei dir?«
»Natürlich«, antwortete ihre Mutter und lachte hell.
Hollys Lächeln wurde breiter. Das war ihr typisches nervöses Lachen. Der Film hatte also auch ihre Mutter mitgenommen. »Schlaf gut, Mom, und träum was Schönes.«
»Du auch«, entgegnete ihre Mutter und schüttelte lachend den Kopf.
Meine Eltern sind toll. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, mit anderen Eltern aufzuwachsen, dachte sie, während sie in den Schlaf hinüberglitt.
»Wach auf, Holly«, sagte eine Frauenstimme lockend.
Holly wand sich und drehte sich auf den Rücken. Sie erkannte durch die geschlossenen Augenlider, dass es hell im Zimmer war. »Ich will nicht«, nuschelte sie schläfrig.
»Wach auf«, wiederholte die Stimme beharrlicher.
»Nein.«
»Du musst aufwachen, Holly.«
»Mom, lass mich schlafen.«
»Ich bin nicht deine Mutter«, blaffte die Stimme.
Holly riss die Augen auf und fuhr senkrecht im Bett hoch.
Es war noch Nacht. Das Licht im Raum kam von einer Frau. Sie stand mitten in Hollys Zimmer, in einem altmodischen Kleid. Ihr dunkles Haar fiel in Wellen ihren Rücken hinab. Ihre Augen glühten wie Kohlen, und sie leuchtete.
»Ich träume«, sagte Holly. »Das ist nur ein Traum.«
»Das ist kein Traum«, versicherte ihr die Frau. »Ich bin Isabeau. Ich bin deine Ahnin, und es ist an der Zeit, dass du erfährst, wer du bist.«
»Ich weiß, wer ich bin. Holly Cathers.«
»Nein, du bist Holly Cahors aus dem Hause Cahors, und du bist eine Hexe.«
Holly begann heftig zu zittern. »Ich träume, ganz bestimmt.«
»Und ich sage dir, das ist kein Traum.«
»Bist du tot?«
»Ja.«
Holly glaubte, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. Das Zimmer verschwamm ihr vor den Augen. »Das ist nicht real, das passiert gar nicht wirklich.«
»Es ist wirklich«, sagte die Frau und kam näher. Sie setzte sich neben Holly auf die Bettkante. »Du bist aus meinem Haus, von meinem Blut. Du bist eine Hexe, und du musst entdecken, was das bedeutet, besser zu früh als zu spät. Die Deveraux sind deine Feinde, vergiss das nie. Sie werden jeden töten, den du liebst, wenn du es zulässt.«
Sie streckte die Hand nach Holly aus, und Holly wollte hastig von ihr abrücken. Aber ihr Körper war wie erstarrt, und sie hätte schreien mögen, als tote, kalte Finger ihre Wange berührten. »Ma petite, so viel zu lernen und so wenig Zeit. Ich werde dir helfen.«
Isabeau legte Holly eine Hand auf die Stirn. »Ich werde bei dir sein und meine Kraft und meine Macht mit dir teilen. Und jetzt«, fügte sie mit tieferer, herrischer Stimme hinzu, »entzünde die Kerze auf der Kommode mit deinen Gedanken.«
Holly fühlte sich gezwungen, ihr zu gehorchen, als besäße sie keinen eigenen Willen mehr. Sie wandte sich um und starrte die Kerze an, die plötzlich mit einem scharfen Zischen zu brennen begann.
Holly kreischte vor Entsetzen. Augenblicke später hörte sie schnelle Schritte im Flur, und ihre Eltern platzten in ihr Zimmer. Ihre Mutter schrie, und Isabeau drehte sich nach Hollys Eltern um. Einen Moment lang blieben alle stehen, wie zu Statuen erstarrt, und dann war Isabeau verschwunden, und das einzige Licht im Raum war die Flamme der Kerze.
»Holly! Was ist passiert?«, rief ihre Mutter und eilte zu ihr. Holly warf sich in ihre Arme, und sie sanken weinend aufs Bett.
»Mom«, keuchte sie schluchzend, »ich bin eine Hexe, und ich sehe tote Menschen!«
»Das war nur der Film, Schatz. Du hast Albträume davon bekommen, weiter nichts«, sagte ihre Mutter, doch ihre hysterische Stimme strafte die tröstenden Worte Lügen.
»Aber Mom, du hast sie doch auch gesehen, sie war hier.«
Ihre Mutter schwieg, und Holly rückte von ihr ab, um sie anzusehen. Angst stand in ihren Augen. »Was soll ich nur tun, Mommy?«
Ihr Vater trat ans Bett. Er legte ihr die Hand auf die Stirn, ganz ähnlich wie die Frau gerade eben. Als er sprach, klang seine Stimme so tief, wie Holly sie noch nie gehört hatte. »Schlaf und vergiss.«
Holly glitt ins friedliche Vergessen hinüber.
Als Holly am Morgen erwachte, hatte sie das undeutliche Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte gut geschlafen, aber sie war müde, und irgendetwas fühlte sich einfach falsch an.
Unten in der Küche saßen ihre Eltern schon am Frühstückstisch. Beide schwiegen, als Holly hereinkam, und sie sahen aus, als hätten sie geweint.
»Was ist los?«, fragte Holly mit einem Anflug von Panik.
»Nichts, mein Schatz«, antwortete ihr Vater mit einem
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