Hexentraum
Eve dem letzten Golem den Papierfetzen aus dem Mund zog. Er hob sie hoch und begann sie zu zerquetschen, doch sie riss das Papier mittendurch, und er ließ sie fallen, ehe er selbst umkippte.
Keuchend stand sie da, zerriss das Papier in Dutzende kleine Fetzen und warf sie in den Wind. Dann stemmte sie Hände in die Hüften. »Also, was ist los mit ihr?«
»Sie ist bewusstlos.«
»Hört sich eigentlich ganz gut an.«
»Ist es wahrscheinlich auch«, stimmte er grimmig zu.
Sie kam herüber und ging in die Hocke, um sich Holly näher anzusehen. Sie wirkte nicht sonderlich beeindruckt. »Um sie machen alle so einen Wirbel?«
Jer nickte.
»Verstehe ich nicht«, sagte sie und richtete sich auf. »Tja, ich verschwende hier sowieso nur meine Zeit. Ich muss deinen Vater suchen. Hast du eine Ahnung, wohin er verschwunden sein könnte?«
Jer blickte auf Holly hinab. Sein Vater hatte sie hier zurückgelassen, damit sie Jer tötete und selbst umkam. Offenbar wäre sie ihm dort, wo er hinwollte, eine Last gewesen. Bei all ihrer Macht war das kaum zu glauben. An welchem Ort wäre es ihm wichtig, nicht auf sie aufpassen zu müssen?, überlegte er.
Dann war es ihm plötzlich klar. Er wusste es, er spürte es ganz deutlich. »Er ist unterwegs nach London.«
Der Dreifache Zirkel:
San Francisco International Airport
Amanda saß neben Tommy im Jet des Mutterzirkels, hielt seine Hand und wünschte, sie wäre woanders. Der kleine Jet war fast voll besetzt: Sasha, Alex, Amanda, Armand, Pablo, Philippe, Barbara und Richard waren ebenfalls an Bord. Gleich würden sie zur Startbahn rollen und allesamt zurück nach Europa fliegen. Die Copilotin, eine Hexe, kam nach hinten, um mit ihnen zu sprechen.
»Der Tower hat uns eine Nachricht übermittelt. Anscheinend ersucht jemand in Albuquerque darum, dass wir dort landen und drei weitere Passagiere an Bord nehmen. Der Absender der Nachricht heißt Jer.«
Amandas Gedanken überschlugen sich. Drei Passagiere! Jer muss Holly und Kari gefunden haben! Ehe sie ein Wort sagen konnte, erklärte Alex: »Wir haben keine Zeit für einen Umweg.«
Plötzlich herrschte eisiges Schweigen, und alle Blicke waren auf den Anführer des Covens gerichtet. Tommy sprach als Erster. »Also, ich finde, wenn er Holly bei sich hat, können wir es uns nicht leisten, den Umweg nicht zu machen. Sie ist unser größtes Plus, und in den Händen des Feindes wäre sie die größte Bedrohung für uns. Wir brauchen sie, und wir müssen unbedingt wissen, wo sie ist.«
Alex sah ihn mit schmalen Augen an. Tommy hatte seine Autorität in Frage gestellt, und Amanda wusste, dass Alex überlegte, wie er darauf reagieren sollte. Nach wenigen Augenblicken lächelte er, und die Spannung verflog. »Recht hast du, Tommy. Also dann, nach Albuquerque.«
Die Copilotin nickte und kehrte ins Cockpit zurück. Einige Minuten später rollte das Flugzeug zu seiner Startposition. Sobald sie vom Boden abgehoben hatten, atmete Amanda erleichtert auf. Was kann Michael Deveraux uns in der Luft schon anhaben ?
»Eine Menge, wenn es stimmt, was ich gehört habe«, sagte Alex.
Amanda erstarrte. Sie hatte nur einen Moment lang nicht aufgepasst, und schon war er in ihren Geist eingedrungen. Es machte ihr nichts aus, wenn Pablo ihre Gedanken las, aber bei Alex war das etwas anderes. Vielleicht lag es daran, dass er älter war, oder der Anführer ihres Zirkels, oder ein Verwandter. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihn nicht ganz traue. In jedem Fall musste sie in Zukunft besser aufpassen.
Aber sie würde sich weder von ihm noch von seiner Anspielung auf Michaels Macht den Flug verderben lassen. Sie sank tief in ihren Sitz, lehnte den Kopf an Tommys Schulter und schlief sofort ein.
Sie erwachte, als das Flugzeug in Albuquerque landete. Ihr Magen verknotete sich vor Nervosität. Was, wenn Jer diese Nachricht gar nicht geschickt hat?, dachte sie, und plötzlich nagte die Angst an ihr. Tja, das werden wir bald merken.
»Bald« dauerte noch zwanzig Minuten. Endlich öffnete sich die Flugzeugtür, und sie hörte, wie alle um sie herum die Luft anhielten. Als sie Jer sah, sank sie erleichtert in sich zusammen. Er trug eine Frau auf den Armen. Ihr Gesicht ruhte an seiner Schulter, doch Amanda erkannte sie trotzdem: Holly!
Philippe stand rasch auf und half Jer, Holly zu einem Sitz zu bringen. Sie war bewusstlos, doch Amanda konnte sehen, dass sich ihre Brust stetig hob und senkte. Plötzlich überkam sie ein seltsames Gefühl, als streiche ein kalter
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