Hexenwahn
auf der anderen der Scheiterhaufen, ein Relikt des späten Mittelalters, als Tausende von Frauen verbrannt wurden, weil man in ihnen Hexen sah. Diese schlimme Zeit war nun zurückgekehrt. Hexenwahn in London. Da hatten es finstere Gestalten geschafft, sich Hexenäger zu nennen und zahlreiche Menschen aufzuwiegeln, denn auch in einer Zeit der Technik und des relativen Überflusses waren die primitiven Gefühle und Triebe der Menschen nach wie vor existent. Man brauchte sie nur zu wecken, und es gelang einigen Leuten sehr gut, diesen Haß an die Oberfläche zu spülen. Nicht umsonst hatte der Hexenjägerclub immer mehr Zulauf bekommen. Flüsternd hatte es sich herumgesprochen, und zahlreiche Frauen oder Mädchen, die nicht der Norm entsprachen, die man sich vorstellte, hatten Angst.
Natürlich gab es die echten Hexen. Aber sie hielten sich verborgen. Es starben zumeist Unschuldige. Die Polizei hatte schon zweimal Frauenleichen aus der Themse gefischt und bei ihnen Hinweise gefunden, daß die Frauen ihren Tod gefunden hatten, weil sie angeblich Hexen waren. Die Scheiterhaufen werden leuchten…
So lautete der Wahlspruch der Hexenjäger, und in dieser Nacht wollten sie damit beginnen. Celia sollte die erste sein!
Apathisch hing das Mädchen im Griff der vier Männer. Den Widerstand hatte Celia längst aufgegeben. Sie wußte, daß sie den Häschern nicht entkam, die bewiesen hatten, daß sie weder Gnade noch Erbarmen kannten.
Die fünf Männer und ihr Opfer hatten jetzt den eigentlichen Schrottplatz hinter sich gelassen und gelangten auf den Teil, wo sich der Abfall zu Bergen türmte.
Ein widerlicher Geruch schwebte über diesem Paradies der Ratten. Hier fanden die Tiere ihre Nahrung, denn die Menschen warfen vieles weg, von dem sie satt werden konnten. Der Weg wurde etwas breiter.
Am Himmel leuchtete das kalte Licht der Sterne. Dazwischen stand wie gemalt ein Halbmond. Fahl sah er aus, und es schien, als würde er die vier Männer bei ihrem grausamen Tun beobachten. Der Scheiterhaufen!
Auch Celia konnte ihn sehen. Wie ein Denkmal aus einer längst vergessenen Zeit stand er vor einem hohen Berg aus Müll, in dessen Innern es Schwelbrände gab. Der Qualm fand immer einen Weg, sich durch zahlreiche Ritzen und Spalten nach oben zu winden, so daß über dem Berg eine Dunstwolke lag.
Ein Pfahl ragte aus dem Scheiterhaufen. Bei Beginn der Dunkelheit hatten ihn die fünf Männer in die Erde gerammt, Reisig und Papier um ihn herum deponiert und auch sehr trockenes Holz. Er würde sofort Feuer fangen, wenn die ersten Flammen aufleckten.
Celia stemmte sich mit beiden Hacken in den hier weichen Boden. Der Scheiterhaufen, der zu ihrem Grab werden sollte, flößte ihr eine ungeheure Angst ein. Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen wurden groß, und mit gellender, sich überschlagender Stimme schrie sie: »Ich will nicht! Nein, das könnt ihr nicht tun! Das ist…« Der Schlag mit dem Handrücken traf ihren Mund, und Celia verstummte.
»Weiter!« befahl der Anführer mit dumpfer Stimme.
Die vier Gefolgsleute rissen das Mädchen vor. Es weinte nur noch. Ihr Körper zuckte unter dem krampfhaften Schluchzen. Zum erstenmal wurde es ihr richtig bewußt, daß dies kein Spiel oder ein Spaß war. Die Hexenjäger machten ernst. Sie wollten sie tatsächlich verbrennen.
Eine Unschuldige!
Die Männer hatten zuvor den Platz vor dem Scheiterhaufen leergeräumt.
Kein störendes Hindernis lag ihnen mehr im Weg. Bis zum Pfahl hatten sie ebenfalls eine Gasse geschaufelt, damit ihnen das Reisig und das Holz nicht im Wege war und an ihren Kutten zerrte, wenn sie auf den Pfahl zuschritten.
»Bindet sie fest!« Der vermummte Anführer war stehengeblieben, hob seinen Arm, ließ ihn wieder fallen und streckte einen Finger aus, wobei er auf den Pfahl deutete. Zwei Männer traten zurück. Auch gegen die beiden anderen kam Celia nicht an. Sie wehrte sich zudem kaum. Die Vermummten schleiften sie an den Pfahl.
Unheimlich sahen sie aus. Und es wirkte gespenstisch, wie diese Vermummten das wehrlose Mädchen auf den Pfahl zuschleiften. Einer hielt schon die Stricke bereit, während der andere Celia an den Pfahl drückte.
Sein Kumpan trat augenblicklich in Aktion. So rasch es ging, wickelte er den Strick um den Körper des erbarmungswürdigen Mädchens. Er zog ihn sehr fest, denn Celia konnte sich vor Angst und Entsetzen nicht allein auf den Beinen halten. Sie wäre nach vorn gekippt, wenn die Stricke sie nicht gehalten hätten. Aber ihre Mörder
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