Hexenwahn
aufzuhalten.
Nach zwei Wochen endlich kam die Meldung. Auf einem Schrottplatz in Southwark, direkt an der alten Müllkippe, war über Nacht ein Scheiterhaufen errichtet worden. Die Meldung elektrisierte nicht nur Bill Conolly, sondern auch Suko und mich, denn inzwischen befaßten wir uns auch ein wenig mit dem Fall. Nun hatten wir die erste Spur, und sie war verdammt heiß, wie wir festgestellt hatten. Fünf Männer hatten sich auf dem Schrottplatz getroffen. Vermummte Gestalten in langen Gewändern und mit Kapuzen über den Köpfen. Die Gewänder waren von roter Farbe, sahen allerdings in der Dunkelheit eher schwarz aus.
Leider hatten wir nicht genügend Zeit gehabt, uns das Gelände zuvor genau anzusehen. Als wir endlich eintrafen, waren die anderen bereits da.
Wir hörten ihre Stimmen und die verzweifelten Schreie des Mädchens, das brennen sollte.
Ob Hexe oder nicht. Niemand hatte das Recht, einen Menschen einfach anzuzünden wie einen toten Gegenstand. Diesen Hexenjägern mußten wir ebenso das Handwerk legen wie den echten Hexen, denn daß Wikka existierte, daran glaubte ich fest. Ebenso war ein Mann wie Gordon Schreiber keine Einbildung. Wir trugen Taschenlampen bei uns, die wir hin und wieder einschalteten, um uns zu orientieren. Der Nachtwächter hatte uns den Weg gezeigt, war aber in seiner Bude geblieben. So lautlos wie möglich versuchten wir uns zu bewegen. Das war schwer, denn die Wege zwischen den Abfallhaufen waren nicht frei. Zweimal schon war ich gegen eine verrostete Büchse getreten. Es hatte dann überlaut gescheppert.
Jetzt deckte uns noch ein Abfallhügel vor den Männern, die wir einmal kurz gesehen hatten, aber nicht angreifen konnten. Suko hatte die Führung übernommen. Er konnte sich am besten von uns bewegen. Der Chinese schien zu einem Schatten zu werden, der mit der Dunkelheit verschmolz. Uns hatte er zurückgelassen, als er sich direkt am Rand des Abfallhügels weiterbewegte.
Innerhalb des Hügels brannte und kokelte es. Der Rauch, manchmal wurde er auch vom Wind nach unten gedrückt, hatte bereits ein kratziges Gefühl in unseren Kehlen hinterlassen. Bill Conolly stand neben mir. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel, ebenfalls nicht in meinem. Wir beide waren voll konzentriert und warteten gespannt auf die Meldung des Chinesen.
»Die machen das tatsächlich wahr«, hauchte Bill. »Verdammt, die stecken das Mädchen an.«
Ich nickte.
»Was meinst du, John? Wer ist gefährlicher? Die Hexenjäger oder die Hexen?«
»Beide gleich.«
»Finde ich auch.«
Danach schwiegen wir. Es lag auf der Hand, daß sich meine Gedanken um die vorliegenden Ereignisse drehten. Die fünf Vermummten wollten ein junges Mädchen verbrennen. Für mich eigentlich unvorstellbar.
Dieses Verbrechen konnte doch kein normaler Mensch auf seine Schultern laden. Aber schaute man wirklich in die Seele jedes einzelnen hinein? Nein, bestimmt nicht. Und deshalb erlebte man immer wieder diese bösen Überraschungen, obwohl ich als Polizist wirklich einiges gewohnt war. Das Vorhaben dieser fünf Männer schockte auch mich.
Suko kam zurück. Er bewegte sich hastiger und schneller als auf dem Hinweg. Wir sahen ihn winken und liefen ihm ein Stück entgegen.
Seine Augen blitzten in der Dunkelheit. »Was war?« wisperte ich.
»Wir müssen uns sehr beeilen«, erklärte Suko. »Diese Narren haben bereits das Benzin geholt.«
»Verdammt!« fluchte Bill.
Auch mir war nach Fluchen zumute, doch ich hielt mich zurück und zupfte den Reporter an der Jacke. »Los!« Wir schlichen hinter Suko her, der auch diesmal vorging. Jetzt nahmen wir auch keine Rücksicht darauf, leise zu sein, wir hörten die Stimmen der Hexenjäger, und sie waren laut genug, um unsere Schritte zu übertönen.
Ich sprang über ein sperriges Hindernis aus Blech, schreckte dabei eine fette Ratte auf und wäre fast noch auf sie getreten, als ich weiterlief.
Das Ende des Abfallhügels!
Noch drei, vier Schritte, dann mußten wir den Scheiterhaufen und das Mädchen sehen können.
Ich machte den Anfang und drängte mich an Suko vorbei. Im selben Augenblick puffte vor mir eine Feuerwand hoch und setzte den Reisighaufen um den Pfahl in Brand. Wir waren zu spät gekommen!
***
Wirklich zu spät?
Ich wollte es nicht glauben. Noch brannte nur das Reisig und nicht das Mädchen.
Verdammt, sie mußte doch zu retten sein. Und wenn wir mitten durch die Feuerwand rannten.
Es war eine schaurige Szene, die ich innerhalb einer Sekunde in mich aufnahm.
Noch
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