Hexenzorn
meisten -, und sie hatte Grund zu der Hoffnung, dass ihm diese Unterscheidung um einiges leichter fallen würde als ihr.
B. griff sie nicht an. Stattdessen begann das Violett zu schimmern, wurde durchsichtig und verblasste dann zum schneeweißen Glanz der heilenden Seite des Umhangs. B. lag auf dem Hoteldach, alle viere von sich gestreckt, sein Körper in Weiß gehüllt, die Haare zerzaust. Er stöhnte, und Marla sah dabei zu, wie seine ausgekugelte Schulter wie von selbst wieder zurück in die Gelenkpfanne glitt. Er sah zu ihr auf, doch das war nicht B. hinter diesen atemberaubend blauen Augen, es war etwas Kaltes und Unmenschliches, das sie taxierte und sich vielleicht fragte, wie sie wohl schmecken würde oder ob es von Vorteil wäre, sie zu töten. Er versuchte aufzustehen, aber Marla drückte ihn an den Schultern sanft wieder nach unten. »Schhhh«, und schon einen Augenblick später hörte er auf, sich gegen sie zu stemmen, und die Kälte in seinen Augen verschwand.
»Heilige Scheiße«, rief B. »Ich habe mich gefühlt wie ein psychotischer Superheld. Wie Spiderman auf Crack!«
Marla kniete sich neben ihn, damit sie sich leichter unterhalten konnten, denn es würde wahrscheinlich noch ein paar Minuten dauern, bis er wieder aufstehen konnte. Sie verstand seine Aufregung - es gab wenig, das so berauschend war wie körperliche Kraft. Sie kannte den Kick, den er gerade verspürte, und sie wusste, dass er ein guter Zuhörer war und die Wichtigkeit ihrer Worte verstehen würde, ohne dass sie ihn anschreien musste, also sprach sie ganz ruhig und leise mit ihm: »Ja, aber Spiderman fängt die Bösen nur ein und überlässt sie dann der Polizei. Sie werden das nicht tun, B. Gnade oder Zurückhaltung werden in Ihrem Wortschatz nicht einmal vorkommen.Verstehen Sie, was ich Ihnen sage?«
Marla hörte ein »Plopp!«, als B.’s Ellbogen sich wieder einrenkte, doch er gab keinen Laut von sich und nickte nur. »Ja«, antwortete er kleinlaut. »Ich werde jemanden umbringen, oder?«
»Ja«, sagte Marla. »Und Sie werden es sein, der das tut, nicht der Umhang. Der Umhang macht es zwar möglich und auf eine gewisse Weise sogar zu einem Vergnügen, aber er ist nicht der Killer, genauso wenig wie ein Schwert ein Killer ist. Die Waffe trägt nicht die Verantwortung. Derjenige, der sie benutzt, tut das.« Und du bist meine Waffe, Bowman . Sie wollte es nicht, aber sie hatte keine andere Wahl.
B. sah sie an, und seine unwirklichen Augen waren voller Verständnis, beinahe mehr Verständnis, als Marla ertragen konnte. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich bin nicht Ihre Waffe, und Sie benutzen mich auch nicht wie eine. Das hier ist meine freie Entscheidung.«
Marla nickte, obwohl sie ihm nicht glaubte. Sie hatte
diese Richtung für ihn eingeschlagen, und die Morde, die er für sie begehen würde, würden noch schwerer auf ihren Schultern lasten als die Leben, die sie selbst genommen hatte. Die Morde, die auf ihr Konto gingen, konnte sie vertreten. Sie brachte nie jemanden um, ohne einen guten Grund dafür zu haben, nicht mehr, und je älter sie wurde, desto weniger Gründe fand sie, jemanden zu töten, denn es gab fast immer eine andere Lösung. Und bei dem Gedanken, B. - den freundlichen, aufgeschlossenen B. - zu einem Mörder zu machen, fühlte sie sich alles andere als wohl. »Ich möchte nur, dass Sie das begreifen«, sagte sie schließlich.
»Das ist keine leichte Sache«, sagte B., »die Entscheidung, jemanden umzubringen. Aber ich treffe diese Entscheidung auch nicht überhastet, im Eifer des Gefechts. Ich gehe mit der bewussten Absicht da rein. Es ist zwar kein so großer Schritt wie die Tat selbst, aber die Entscheidung dafür …« Er schüttelte den Kopf.
Marla nickte. Sie wusste, was er meinte. Das erste Mal, als sie jemanden absichtlich getötet hatte, hatte das ihre gesamte Weltanschauung verändert. Es gab nichts Abscheulicheres, als das Leben eines Menschen auszulöschen. Alle noch schrecklicheren Verbrechen waren nur eine Frage der Größenordnung. Die einzige echte Rechtfertigung für eine solche Tat war, wenn sich dadurch noch größeres Blutvergießen verhindern ließ. Und selbst dann war es ethisch fragwürdig, selbst für jemanden, der so erbarmungslos praktisch veranlagt war wie Marla. Sie versuchte, möglichst wenig über das Töten nachzudenken - was, wie sie wusste, ihre einzig wirklich feige Charaktereigenschaft war.
»Die Sache wird hässlich werden, B.
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