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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu.
    »Ich … brachte ihn zu einer Frau, von der ich wusste, dass sie ein gutes … Herz hatte«, sagte er mühsam. »Ich gab ihr Geld und … löschte die Erinnerung an mich aus ihrem Geist.«
    »Sie …«, murmelte ich. »Sie wollen sagen, dass Sie … dass du …«
    »Später, als ich glaubte, dem Fluch entrinnen zu können, habe ich angefangen ihn zu suchen, Robert«, flüsterte Andara. Seine Hand kroch unter der Decke hervor und suchte die meine. Sie fühlte sich warm und schwammig an, feucht und nicht so, wie sich eine menschliche Hand anfühlen sollte. Ich vermied es, sie anzusehen.
    »Ich hätte es nicht tun dürfen«, keuchte er. »Ich hätte dich niemals … finden dürfen, Robert. Aber jetzt … musst du den Kampf … fortführen. Geh nach … London. Geh zu Howard und … sage ihm, dass dein Vater dich schickt.«
    Das waren seine letzten Worte. Sein Gesicht glättete sich, und der Ausdruck des Schmerzes auf seinen Zügen wich einem seltsamen Frieden.
    Es dauerte lange, bis ich merkte, dass ich die Hand eines Toten hielt.
    Irgendwann berührte mich Bannermann an der Schulter, und ich sah von Andaras Gesicht auf. Aber ich erkannte den Captain kaum. Eine seltsame Teilnahmslosigkeit hatte von mir Besitz ergriffen, ein Gefühl der Lähmung, dem der wirkliche Schmerz erst noch folgen würde. Ich hatte meinen Vater gefunden, nach mehr als fünfundzwanzig Jahren, und ich hatte ihn im gleichen Moment wieder verloren.
    Roderick Andara, der Meister, war tot.
    Aber noch während ich diesen Gedanken dachte, spürte ich, wie sich tief in meiner Seele etwas regte; die ersten, tastenden Bewegungen einer Macht, die bisher geschlummert hatte und erst langsam zu erwachen begann.
    Mein Vater war tot, aber der Hexer lebte weiter.
    Denn der Hexer bin ich.

 

     
     
    Der See wirkte wie ein schwarzes, lichtschluckendes Loch. Mit der Nacht waren Wolken vom Meer her gekommen, eine schwarze, brodelnde Front, die das bleiche Licht des Vollmonds verschluckte und eisige Regenschauer auf die Erde herabstürzen ließ. Der böige, eiskalte Wind peitschte den Regen beinahe waagerecht über die Wasseroberfläche und sorgte dafür, dass die Bewohner dieses Küstenlandstrichs vergaßen, dass nach dem Kalender eigentlich Hochsommer war und selbst die Nächte warm sein sollten.
    Das regelmäßige Klatschen, mit dem die Ruder ins Wasser tauchten, klang gedämpft und wurde vom Rauschen des unablässig fallenden Regens verschluckt. Steve Cranton ließ mit einem erschöpften Seufzen die Riemen los, setzte sich auf und streckte die Arme nach beiden Seiten aus. Sein Rücken schmerzte. Sie ruderten seit fast einer Stunde im Kreis über den kleinen, runden See, und das Boot war schwer vom Regen geworden. Seine Füße, die in schwarzen Gummistiefeln steckten, standen bis zu den Knöcheln im eisigen Wasser, und die Kälte war beharrlich durch die Stiefel und die zwei Paar Wollsocken gekrochen, die er darunter trug. Bis zu den Knien hinauf fühlten sich seine Beine taub an.
    »Müde?«, fragte O’Banyon leise. »Wenn ich dich ablösen soll …«
    Cranton schüttelte den Kopf und griff wieder nach den Rudern, ließ die Hände jedoch reglos auf den Riemen liegen, ohne sie zu bewegen. Das Boot schaukelte sanft auf dem Wasser, und wie zur Antwort auf O’Banyons Frage peitschte der Wind einen neuen Regenschwall heran. Cranton schauderte, als das Wasser unter seinen Regenmantel lief und eisig in seinem Nacken herab rann.
    »Nein«, antwortete er mit einiger Verspätung. »Ich komme mir nur ganz langsam dumm vor, hier im Kreis zu rudern und mich durchnässen zu lassen. Wir sollten aufhören.«
    O’Banyon lachte leise. »Du hast Angst«, behauptete er.
    Cranton starrte sein Gegenüber wütend an. Obwohl sie sich kaum drei Meter entfernt gegenübersaßen, war O’Banyons Gesicht nicht mehr als eine dunkle, konturlose Fläche vor dem noch dunkleren Hintergrund des Sees. Die Wolkendecke war massiv wie eine Mauer und ließ nicht den geringsten Lichtschimmer hindurch.
    »Nein«, schnappte Cranton verärgert. »Ich blamiere mich nur nicht gerne, das ist alles. Wahrscheinlich sitzen sie in Goldspie jetzt alle beisammen in einem Pub und lachen sich einen Ast über uns.«
    »Du hast Angst«, behauptete O’Banyon noch einmal, als hätte er die letzten Worte gar nicht gehört. »Aber jetzt ist es zu spät, mein Lieber.« Er seufzte, kramte einen Moment unter seinem Regenmantel herum und förderte Tabaksbeutel und Pfeife zutage. Cranton sah stirnrunzelnd zu, wie er

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