Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sich trotz des strömenden Regens bedächtig eine Pfeife stopfte, mit den Händen einen Schutz gegen den Wind bildete und ein Streichholz anriss. Der Tabak fing Feuer, aber er war nass und schmorte nur vor sich hin, statt richtig zu glühen. O’Banyon knurrte etwas, klopfte die Pfeife auf dem Bootsrand aus und steckte sie wieder ein. Dann zog er seine Uhr aus der Tasche, riss ein zweites Streichholz an und versuchte, im flackernden Licht der winzigen Flamme die Stellung der Zeiger abzulesen.
    »Es ist gleich so weit«, sagte er. »Mitternacht. In wenigen Augenblicken.«
    »Und dann kommt es, wie?« Cranton bemühte sich, möglichst viel Spott in seine Stimme zu legen, aber der Unterton von Furcht, der seine Worte begleitete, verdarb ihm den beabsichtigten Effekt. »Das Ungeheuer von Loch Shin – dass ich nicht lache! Mit solchen Geschichten verschrecken sie ihre Kinder, wenn sie nicht schlafen wollen. Oder halten ahnungslose Trottel aus der Stadt zum Narren.«
    »Damit meinst du mich«, sagte O’Banyon kopfschüttelnd. Cranton wollte widersprechen, aber O’Banyon brachte ihn mit einer raschen Bewegung zum Schweigen und schüttelte den Kopf. »Ich nehme es dir gar nicht übel, mein Lieber. Vielleicht würde ich ähnlich denken, wenn ich an deiner Stelle wäre. Aber du hast nicht gehört, was ich gehört habe.«
    »Das Gerede eines Wahnsinnigen«, knurrte Cranton. »Was bedeutet das schon?«
    »Aber er hat ihn beschrieben!«, antwortete O’Banyon eindringlich. »So genau, wie nicht einmal ich es gekonnt hätte. Das kann der Mensch sich gar nicht ausgedacht haben, Steve. Ich …«
    Irgendwo, nicht sehr weit entfernt von dem Boot mit den beiden Männern, klatschte etwas auf die Wasseroberfläche. O’Banyon brach mitten im Wort ab, setzte sich pfeilgerade auf und starrte aus zusammengekniffenen Augen in die samtene Schwärze hinaus, die wie eine erstickende Decke über dem See lag. »Was war das?«
    »Dein Ungeheuer«, murrte Cranton. Aber seine Stimme zitterte noch stärker als vorher.
    O’Banyon ignorierte ihn. »Da ist etwas«, murmelte er. »Ich spüre es ganz deutlich …« Er starrte eine weitere Sekunde auf die schwarze Wasseroberfläche hinab, fuhr mit einem Ruck herum und begann mit den Händen zu fuchteln. »Die Lampe!«, rief er. »Schnell, Steve. Und die Kamera!«
    Ein sanfter Stoß traf den Boden des Bootes. Cranton verlor für einen Moment das Gleichgewicht, rutschte auf der schmalen Sitzbank nach vorne und klammerte sich erschrocken am Bootsrand fest. Das kleine Schiffchen bebte. Es war ein Gefühl, als wäre es von etwas Weichem, Nachgiebigem – aber trotzdem ungeheuer Starkem – getroffen worden. Wieder war das Geräusch von Wasser zu hören, das mit einem harten Schlag geteilt wurde. Eine Welle traf das Boot, zersprühte an seinem Rumpf und überschüttete seine Insassen mit einem Schwall eisigem Wasser.
    Cranton fluchte, beugte sich vor und versuchte mit klammen Fingern, ihre Ausrüstung aus dem wasserdichten Ölsack zu nehmen.
    »Beeil dich, Steve«, sagte O’Banyon ungeduldig. »Da ist etwas – ich spüre es ganz deutlich.«
    Der See war plötzlich von Geräuschen erfüllt. Wellen trafen in immer kürzeren Abständen das Boot, und irgendwo, links und nicht sehr weit von ihnen entfernt, bewegte sich etwas Dunkles, Massiges über dem See.
    »Die Karbidlampe!«, verlangte O’Banyon ungeduldig. »Wie lange dauert denn das?«
    Cranton richtete sich mit einem ärgerlichen Knurren auf, reichte O’Banyon die kleine, sonderbar geformte Lampe und starrte mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit hinaus. Auch er glaubte jetzt etwas zu erkennen, aber eben nur irgend etwas, ohne dass er hätte sagen können, was.
    Aber was immer es war, es war groß.
    »Verdammt, Jeff, lass uns hier verschwinden«, murmelte er. »Die Sache gefällt mir nicht.«
    O’Banyon hatte den Glaskolben der Lampe ein Stück angehoben und versuchte mit bebenden Fingern, ein Streichholz anzureißen, aber der Wind blies ihm die Flamme schneller wieder aus, als er sie in die Lampe bekommen konnte. Sein Blick wanderte immer wieder über den See und saugte sich an dem schwarzen Ding fest, das inmitten der Dunkelheit erschienen war. Das Boot schaukelte mittlerweile wild auf den Wellen und begann sich langsam zu drehen. Ein neuer, unheimlicher Ton begann sich in das Heulen des Windes zu mischen. Ein Laut, wie ihn keiner der beiden jemals zuvor in seinem Leben gehört hatte: etwas wie ein dunkles, unendlich mühsames Atmen und Schnauben,

Weitere Kostenlose Bücher