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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erkennen, wohl aber zu spüren. Ein klammer Salzwasserhauch wob sich unmerklich in die Wärme des Hochsommertages, und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man sogar das Rauschen der Brandung hören. Goldspie lag am Ufer eines schmalen Flusses, dessen Namen ich mir nicht gemerkt hatte, aber es lag in einer Senke, aus der heraus der Blick auf den Ozean unmöglich war.
    »Was haben Sie?«, fragte Bannermann, als ich stehen blieb. Die Männer waren schon vorausgegangen und hatten Zimmer im einzigen Hotel des Ortes bezogen, und nach allem, was wir mitgemacht hatten, konnte ich es Bannermann nicht verdenken, wenn er sich ebenfalls nach einer warmen Mahlzeit und einem sauberen Bett sehnte.
    »Gehen Sie ruhig vor, Captain«, sagte ich ausweichend. »Ich komme in ein paar Minuten nach.«
    Bannermann sah mich stirnrunzelnd an, und ich fügte hastig hinzu: »Ich will noch zur Bank, ehe sie schließt. Es wäre doch peinlich, wenn wir im Hotel nicht einmal unser Abendessen bezahlen könnten, oder?«
    In Wirklichkeit war das nur eine Ausrede. Ich wollte allein sein. Ich brauchte diese Zeit, nur ein paar Minuten, um Ordnung in meine Gedanken zu bringen und mich zu beruhigen. Schon am See war mir seltsam zumute gewesen, jetzt, nachdem wir mit Donhill gesprochen hatten, fühlte ich mich verwirrter als zuvor. Manchmal konnte die Gabe, die ich von meinem Vater geerbt hatte, zum Fluch werden.
    »Soll ich Sie begleiten?«, bot sich Bannermann an. »Ich kenne die Gewohnheiten der Leute hier besser als Sie.«
    Ich lächelte. »Ich glaube, ich werde schon noch aus eigener Kraft einen Kreditbrief einlösen können, Captain. Gehen Sie ruhig ins Hotel zurück. Und trinken Sie einen guten Sherry auf mein Wohl.«
    Bannermann sah mich auf eine Art an, die mir verriet, dass er meine wahren Gründe durchschaut hatte. Aber trotzdem nickte er, verabschiedete sich mit einem wortlosen Kopfnicken und eilte über die staubige Straße davon.
    Ich sah ihm nach, bis er im Eingang des Hotels verschwunden war, wandte mich um und ging – wesentlich langsamer als er – in die entgegengesetzte Richtung. Die Bank lag am hinteren Ende der Straße, weniger als zweihundert Schritte entfernt, aber ich hatte es nicht besonders eilig, dorthin zu kommen.
    Irgend etwas stimmte nicht mit dieser Stadt.
    Ich konnte nicht sagen, was es war, nicht einmal, was mich auf diesen Gedanken brachte – aber ich spürte einfach, dass Goldspie nicht das verschlafene kleine Fischernest war, als das es sich gab. Die Männer und Frauen, die mir begegneten, erschienen mir vollkommen normal, und die verwunderten – und zum Teil eindeutig feindseligen – Blicke, die sie mir zuwarfen, galten wohl mehr meiner zerrissenen und verdreckten Kleidung als mir selbst.
    Und trotzdem … diese Stadt barg ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das auf eine Weise, die ich jetzt noch nicht zu benennen im Stande war, mit O’Banyon und seinem toten Kameraden zusammenhing.
    Ich erreichte die Bank, betrat die Schalterhalle und sah mich einen Moment neugierig um. Ich war der einzige Kunde, und dem überraschten Blick des Kassierers hinter dem Schalter nach zu urteilen, hatte er zu dieser Zeit wohl nicht einmal damit gerechnet.
    Der Ausdruck von Schrecken in seinem Blick wandelte sich in Überraschung, Herablassung und Unsicherheit (in dieser Reihenfolge), und pendelte sich irgendwo in der Mitte ein, als ich mich mit gemessenen Schritten dem Schalter näherte und vor ihm stehen blieb. Unwillkürlich wich der Mann einen Schritt von seinem Tresen zurück, und ich unterdrückte im letzten Moment ein amüsiertes Lachen. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass ich ihn anbetteln würde – oder die Bank überfallen – und wahrscheinlich überlegte er schon fieberhaft, wie er mit beiden Eventualitäten am elegantesten fertig werden könnte.
    Ich konnte ihm seine Gefühle nicht einmal übel nehmen, bedachte man mein Aussehen. Mein Anzug war zwar in den letzten vierundzwanzig Stunden getrocknet, aber er sah eben auch aus wie ein Anzug, mit dem man ins Wasser gefallen, mitten durch ein Felsenriff geschleudert und schließlich ein paar Dutzend Schritte weit einen Sandstrand hinaufgezerrt worden ist. Und auch mein Gesicht und mein Haar hätten ein erneutes Zusammentreffen mit Wasser dringend nötig gehabt.
    Ich sah den Kassierer einen Moment lang durchdringend an, legte mit einer betont langsamen Geste die schwarze Aktenmappe, die Andara als einziges Stück seiner Ausrüstung aus dem sinkenden Schiff gerettet hatte, vor

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