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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mich auf den Schalter, und öffnete die Verschlüsse. Der Kassierer erbleichte ein ganz kleines bisschen mehr. Sein Blick saugte sich an der Tasche fest. Wahrscheinlich überlegte er, welche Art von Waffe ich darin verborgen haben konnte.
    »Womit … kann ich Ihnen dienen, Sir?«, fragte er stockend. Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. An seinem Hals pochte eine Ader im Rhythmus seiner Herzschläge.
    »Mit Geld«, antwortete ich lächelnd. Der arme Bursche wurde noch blasser und sah sich jetzt ganz unverholen nach einem Fluchtweg um. Aber er schien unfähig, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu rühren.
    Langsam öffnete ich die Tasche, nahm den Stapel Kreditbriefe hervor, der in wasserdichtes Öltuch eingeschlagen darin verborgen war, und suchte die drei heraus, die auf meinen Namen ausgestellt worden waren. Zwei von ihnen lauteten über fünftausend Pfund, der dritte über fünfhundert. Mein Vater musste vorausgesehen haben, dass ich an eine Bank geraten könnte, die vor einer Forderung über fünftausend Pfund Sterling glatt kapitulierte.
    Ich schob ihm den Kreditbrief über die Theke, wickelte die anderen sorgfältig wieder ein und verschloss die Mappe. Der Kassierer griff mit zitternden Fingern nach dem Papier, warf einen flüchtigen Blick darauf und starrte dann mich wieder an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war unbeschreiblich. Ich genoss den Augenblick in vollen Zügen.
    »Das … äh …«
    »Ist etwas damit nicht in Ordnung?«, fragte ich, betont freundlich. »Ich kann mich ausweisen, wenn es Ihnen darum geht.«
    »Na … natürlich nicht, Sir«, antwortete der Kassierer. »Es ist nur …«
    »Ich sehe nicht aus wie jemand, der solche Kreditbriefe mit sich herumträgt, ich weiß«, seufzte ich. »Aber vermutlich hätte ich sie nicht mehr lange, wenn man es mir ansähe.« Ich zog meine Brieftasche, reichte ihm meinen Pass und wartete, bis er den Namen darin mit dem in dem Kreditbrief verglichen hatte.
    »Wie … möchten Sie das Geld, Sir?«, fragte er, noch immer stockend und unsicher, wenn auch jetzt sichtlich aus anderen Gründen.
    »Klein«, antwortete ich. »Ich muss ein paar Besorgungen machen. Einen neuen Anzug zum Beispiel. Können Sie mir einen guten Schneider hier in der Nähe empfehlen?«
    Der Kassierer schüttelte den Kopf, während er bereits damit begann, Ein- und Fünf-Pfund-Noten in sauberen kleinen Stapeln vor mir abzuzählen. »Ich fürchte, mit einem Schneider kann Goldspie nicht aufwarten, Sir«, antwortete er. »Aber Sie können zu Leyman gehen.«
    »Leyman?«
    »Der Laden auf der anderen Straßenseite. Es ist das beste Geschäft im Ort. Und das einzige«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
    Hinter mir waren Schritte. Aber ich war sicher, dass sich die Tür nicht geöffnet hatte.
    »Ich bin sicher, Sie werden etwas Passendes bei ihm finden, Sir«, fuhr der Kassierer, plötzlich äußerst redselig geworden, fort. »Er hat eine große Kollektion von Anzügen und Kleidern. Das meiste bezieht er direkt aus London, wissen Sie?«
    Die Schritte kamen näher. Sie hörten sich schwerfällig an; plump, tapsend. Nicht wie die eines normalen Menschen. Im Grunde überhaupt nicht wie die eines Menschen …
    Ich widerstand mit aller Kraft der Versuchung, mich herumzudrehen. Wenn hinter mir jemand stand – und wenn dort jemand war, dann war er nicht mein Freund –, dann würde ihn das nur zum Angriff provozieren.
    »Ich müsste auch ein Telegramm aufgeben«, fuhr ich mit gespielter Gleichgültigkeit fort. Mein Blick suchte unauffällig die Wand hinter dem Kassierer. Das Sonnenlicht fiel ungemildert durch die Fenster hinter meinem Rücken, und unsere beiden Schatten zeichneten sich deutlich auf dem weißen Verputz ab.
    Aber nur unsere Schatten! Kein Dritter.
    »Das können Sie auf dem Postamt, Sir. Aber ich fürchte, dazu ist es heute schon zu spät. Die Post schließt hier schon zur Mittagsstunde. Goldspie ist ein kleiner Ort, Sie verstehen?«
    Die Schritte waren jetzt ganz nahe, und plötzlich glaubte ich einen schwachen, süßlichen Geruch zu spüren. Etwas wie Fäulnisgestank, vermischt mit Salzwasser, dem Geruch von Tang und feuchtem Sand und noch etwas anderem, undefinierbarem. Und es wurde merklich kälter.
    Etwas schneller, als ich eigentlich wollte, raffte ich mein Geld zusammen, legte den Großteil davon in meine Aktenmappe und stopfte den Rest unordentlich in die Jackentaschen.
    Dann ließ ich mich zur Seite fallen, einfach so, ohne die geringste Vorwarnung

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