Hexer-Edition 02: Als der Meister starb
aber ich war weiter allein in der Kabine.
Und plötzlich ging alles unglaublich schnell. Ein tiefer, unendlich tiefer, grollender Laut erklang, dann hatte ich das Gefühl, von einem unsichtbaren Bullen gerammt und mit grausamer Macht zur Seite geschleudert zu werden. Die winzige Kabine erzitterte in ihren Grundfesten, als ich gegen die Wand prallte, gleichzeitig hörte ich ein helles, metallisches Klingen, und der Spiegel an der Rückwand bog sich wie unter einem Fausthieb durch, zerbrach aber nicht.
Für einen winzigen, zeitlosen Moment sah ich alles mit phantastischer Klarheit. Meine Hand hatte dort, wo sie den Spiegel berührt hatte, einen blutigen Daumenabdruck hinterlassen. Und genau dieser Abdruck war das Ziel des Unsichtbaren!
Ich sah, wie die Blutstropfen sich kräuselten, in Sekundenschnelle gerannen und gleich darauf zu kochen begannen. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, aber dort, wo das Blut gewesen war, war plötzlich ein schwarzer, verkohlter Fleck, in dessen Zentrum das Glas geschmolzen war.
»Robert! Flieh!«
Diesmal versuchte ich gar nicht erst zu ergründen, woher die Stimme kam. Mit einem entsetzten Schrei federte ich auf die Beine und aus der Kabine, sprang, rollte über die Schulter ab und kam mit einer ungeschickten Bewegung wieder hoch. Hinter mir zerbarst die nur aus dünnem Sperrholz gefertigte Umkleidekabine in einer lautlosen Explosion. Der Fäulnisgestank wurde übermächtig, und obwohl ich noch immer kein lebendes Wesen sah, hatte ich das Gefühl, eine Woge von Dunkelheit zu sehen, die aus der zertrümmerten Kabine herausbarst.
Aber noch erreichte sie mich nicht. Mein Daumen blutete noch immer, und ich hatte eine unterbrochene Spur kleiner runder Blutstropfen auf dem Boden hinterlassen. Der Vorgang war hier nicht so deutlich zu erkennen wie auf der Oberfläche des Spiegels, aber es war dasselbe: das Blut zog sich zusammen, begann zu schwelen und zu kochen und verschwand schließlich ganz. Zurück blieb eine münzgroße, verkohlte Stelle auf den Fußbodenbrettern.
Und der Unsichtbare kam rasend schnell näher, und obwohl er wie ein Bluthund, der einmal auf der eingeschlagenen Fährte blieb, nicht direkt auf mich zukam, sondern im Zickzack der Blutspur folgte, bewegte er sich doch noch immer viel schneller als ein Mensch.
Endlich erwachte ich aus meiner Erstarrung. Ich fuhr herum, flankte kurzerhand über die niedrige Ladentheke und rannte, so schnell ich konnte, auf den Ausgang zu. Hinter mir flackerten zahllose, kleine Brände auf, wo das Holz unter dem Flammenatem des Unsichtbaren zu schwelen und schließlich zu brennen begann.
»Stehen bleiben, Craven!«
Die Stimme hatte einen so schneidenden, befehlenden Ton, dass ich mitten im Schritt zurückprallte.
Ich hatte nicht gemerkt, dass Leyman wieder heruntergekommen war, aber er stand breitbeinig vor dem Ausgang, und die doppelläufige Schrotflinte in seinen Händen zielte genau auf mein Herz.
»Verdammt, sehen Sie denn nicht, was hier los ist?«, keuchte ich. Ich wagte es nicht, zurückzublicken, aber ich spürte, wie das unsichtbare Ding näher kam. Rasend schnell.
»Aber natürlich«, sagte Leyman. Ein dünnes, böses Lächeln huschte über seine Züge. »Ich sehe es, Mister Craven.«
»Dann nehmen Sie das Gewehr weg, Sie Narr!«, keuchte ich. Ich machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, blieb aber erneut stehen, als er die Büchse um eine Winzigkeit hob und den Zeigefinger um den Abzug spannte.
»Dieses Monstrum wird uns beide umbringen!«
Leymans Lächeln wurde noch eine Spur breiter. »Kaum, Mister Craven. Es wird Sie umbringen. Das würde es sogar tun, wenn ich Sie gehen ließe. Es hat Ihre Witterung aufgenommen, wissen Sie?«
»Meine … Witterung?«
»Ihr Blut. Wenn das Craal einmal vom Blut eines Menschen gekostet hat, hört es nicht eher auf, ihn zu jagen, bis es ihn hat. Ich kann nur nicht zulassen, dass Sie zu viel Aufsehen erregen, Craven. Aber keine Angst – es geht schnell. Wir sind gnadenlos, aber nicht grausam.«
Das Ding war unmittelbar hinter mir. Ich spürte einen flüchtigen, heißen Luftzug, der an meinem Bein vorbeistrich, als dicht neben meinem Fuß eine weitere Flamme aus dem Holz schlug, roch den Pestatem des Ungeheuers, und fühlte, wie ich von etwas unglaublich Starkem berührt wurde.
Im gleichen Moment ließ ich mich zur Seite fallen. Leyman schrie wutentbrannt auf und riss den Abzug seiner Schrotflinte durch. Die Ladung zerfetzte den Boden dicht neben meinem Körper, und
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