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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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irgendwo über meinem Kopf herumpolterten. Nur der Geruch wurde stärker.
    Fischgeruch. Ich konnte ihn jetzt identifizieren: Es war der Gestank von faulendem Fisch, der mir entgegenschlug und mir schier den Atem nahm.
    Ich schluckte ein paarmal, versuchte den üblen Geschmack, der sich plötzlich auf meiner Zunge ausbreitete, zu ignorieren und sah mich mit erzwungener Ruhe um. Ich hatte mich einmal zum Narren gemacht, weil ich dachte, etwas zu hören, und das reichte. Vielleicht war ich einfach nur übermüdet. Und schließlich war Goldspie ein Fischerdorf – warum sollte es in einem Fischerdorf nicht nach Fisch riechen?
    Ich zwang mich zur Ruhe, las die Kleider, die ich fallengelassen hatte, wieder auf, und ging mit erzwungen ruhigen Schritten zur Umkleidekabine.
    Die Kammer war winzig und bot nicht einmal ausreichend Platz sich auszukleiden, ohne dabei ständig irgendwo anzustoßen. Verschlossen wurde sie nur von einem dünnen, schon halb zerschlissenen Vorhang, und die ganze Rückwand wurde von einem deckenhohen, im Laufe zahlloser Jahre blind und fleckig gewordenen Spiegel eingenommen. Behutsam legte ich die Kleider, die mir Leyman gegeben hatte, zu Boden, und lehnte Aktenmappe und Stockdegen griffbereit neben mir an die Wand.
    Ich konnte Leyman und den Bankkassierer verstehen, als ich in den Spiegel sah. Es war nicht allein so, dass meine Kleider vor Schmutz starrten und zerrissen waren – das Schlimmste war mein Gesicht. Meine Wangen, ohnehin nicht gerade üppig, waren eingefallen und von grauen Schatten gezeichnet, und unter meinen Augen, die rot und entzündet ihr eigenes Spiegelbild anglotzten, lagen dunkle, wie mit einem Pinsel gemalte Ringe.
    Und über meinem rechten Auge war ein breiter, wie ein Blitz gezackter Streifen Haar heller geworden.
    Und die Veränderung ging weiter. Das Gesicht im Spiegel alterte zusehends, verfiel in Minuten um Jahre und bekam einen dunklen, asketischen Zug. Der Streifen weißen Haares über der rechten Augenbraue wurde breiter und gleichzeitig kräftiger.
    Es war nicht mehr mein Gesicht, das mich aus dem Spiegel ansah – sondern das Gesicht meines Vaters …
    Der Anblick traf mich wie ein Hieb.
    »Vater!«, keuchte ich. »Du -«
    Der Mann im Spiegel hob die Hand und brachte mich mit einer hastigen Geste zum Schweigen. »Nicht!«, sagte er. Seine Lippen bewegten sich nicht beim Sprechen, und so, wie ich es schon ein paarmal erlebt hatte, schien seine Stimme direkt in meinem Kopf zu ertönen. »Hör mir genau zu, Robert – mir bleibt nicht viel Zeit. Du bist in Gefahr! Verlasse diesen Ort, so schnell du kannst! Man trachtet dir nach dem Leben!«
    »Vater!«, keuchte ich noch einmal fassungslos. Ich hörte seine Worte kaum. Mein Blick saugte sich an seinem Gesicht fest, und für einen Moment vergaß ich sogar zu atmen. »Aber du … ich dachte, du wärest tot!«, stammelte ich. »Wo bist du?«
    »Der Tod ist nicht das, wofür ihn die Menschen halten«, antwortete mein Vater geheimnisvoll. »Vielleicht finde ich später einmal Gelegenheit, dir alles zu erklären, aber jetzt musst du gehen. Du bist in Gefahr, und ich kann dir nicht helfen. Meine Kräfte schwinden bereits.«
    Tatsächlich wurde seine Stimme zunehmend leiser, und durch die schmalen Züge seines Gesichtes im Spiegel schimmerten bereits wieder meine eigenen hindurch.
    Mit einem Schrei warf ich mich gegen den Spiegel, presste die Handflächen gegen das kalte Glas und rief immer wieder seinen Namen.
    Es war zwecklos. Sein Bild verblasste, und seine Stimme wurde leiser und leiser. »Flieh, Robert!«, rief er mit schwindender Kraft. »Verlasse diesen Ort, ehe die Sonne untergeht, oder du wirst sterben!«
    Damit verschwand er, und ich sah wieder meinem eigenen Spiegelbild ins Gesicht.
    Aber der Spiegel blieb nur eine Sekunde leer. Der Vorhang hinter meinem Rücken bewegte sich, und für einen Moment bauschte sich der dünne Stoff und zeichnete die Umrisse eines gewaltigen, monströsen Körpers nach. Ein Körper, der viel größer als der eines Menschen war. Massiger. Und mit zu vielen Armen.
    Mit einem gellenden Schrei auf den Lippen fuhr ich herum, im gleichen Moment, in dem der Vorhang vollends heruntergerissen und von einer Urgewalt zur Seite geschleudert wurde.
    Aber der Eingang der Kabine blieb leer!
    Für die Dauer eines Herzschlages starrte ich fassungslos auf den offen stehenden Durchgang. Ich hatte die Umrisse des Dings ganz deutlich durch den Stoff gesehen, und der Fäulnisgestank nahm mir schier den Atem,

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