Hexer-Edition 02: Als der Meister starb
formen. Etwas wie ein Gesicht. Aber das grüne Licht nahm weiter an Leuchtkraft zu, und Donhill musste den Blick senken, ehe er das Antlitz in seinem Zentrum erkennen konnte. Seine Augen tränten. Seine Angst steigerte sich bis dicht an die Schwelle zur Panik. Alles in ihm schrie danach, herumzuwirbeln und davonzurennen, aber gleichzeitig fühlte er sich gelähmt, unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.
»Was willst du?«
Donhill fuhr beim Klang der Stimme wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Er hatte sie erst einmal gehört, vor mehr als vierzehn Jahren, und er hatte beinahe vergessen, wie mächtig und böse sie war. Allein der Klang dieser Stimme ließ irgend etwas in ihm gefrieren.
»Ich … brauche Hilfe«, murmelte er. »Die Fremden haben …«
»Ihr habt versagt«, unterbrach ihn die Stimme. Sie klang nicht einmal zornig; nur kalt. »Ihr hattet die Macht, die Fremden zu töten, aber ihr habt versagt.«
»Das stimmt nicht!«, winselte Donhill. »Dieser Craven hat Leyman umgebracht und …«
»Leyman war ein Narr wie du und hat sich selbst getötet«, unterbrach ihn die Stimme. »Er wusste, wie gefährlich das Craal ist, und ich habe ihn vor Craven gewarnt.«
»Aber der Blutjäger hat noch nie versagt!«, begehrte Donhill auf.
Diesmal glaubte er fast so etwas wie ein leises Lachen zu hören. »Du bist ein ebensolcher Narr wie Leyman, Donhill«, sagte die Stimme. »Ihr alle drei seid Narren. Ihr haltet euch für Zauberer, nur weil ihr ein bisschen mit den Kräften herumspielen könnt, die ich euch lieh! Ihr irrt euch. Ihr seid nichts, Donhill, nichts! Craven ist kein unwissender Tropf wie die, die vor ihm herkamen. Diese konntet ihr töten, aber Craven ist ein Hexer – seine Macht ist der euren ebenbürtig, wenn nicht überlegen.«
»Ein … Hexer?«, entfuhr es Donhill ungläubig. »Dieses … Kind?«
»Er weiß es selbst noch nicht, aber er beginnt die Kraft, die in ihm schlummert, bereits zu ahnen. Die Macht hat nichts mit dem Alter zu tun, Donhill. Schon bald wird er seine volle Stärke entdecken und seine Kräfte entwickeln. Er könnte zu einer Gefahr für uns alle werden. So weit darf es nicht kommen. Du musst ihn töten.«
»Aber wie?«, keuchte Donhill. »Wenn selbst das Craal versagt …«
»Es wird nicht versagen. Es hat seine Spur aufgenommen und wird ihn töten. Deine einzige Aufgabe ist es, ihn festzuhalten. Ich hoffe, wenigstens das gelingt dir.«
Donhill bemerkte die unausgesprochene Drohung sehr wohl, reagierte aber nicht darauf. Leymans Schicksal hatte ihm deutlich gezeigt, wie wenig den Mächten, mit denen sie sich eingelassen hatten, ein Menschenleben galt.
»Und … die Bestie?«, fragte er stockend.
Wieder lachte die Stimme, aber diesmal war es ein eindeutig zynisches Lachen. »Du hast sie gerufen, Donhill, und sie wird kommen. Wenn Craven und seine Begleiter um Mitternacht noch leben, wird sie kommen. Aber ich weiß nicht, ob sie sich mit diesen sieben zufrieden geben wird, wenn sie einmal Blut geschmeckt hat. Du verstehst?«
Donhill schluckte mühsam. Er verstand.
Und ob er verstand!
Wie ich den Weg zum Hotel zurückfand, wusste ich hinterher selbst nicht mehr zu sagen. Leymans Kolonialwarenladen ging hinter mir in Flammen auf; zehnmal schneller, als normal gewesen wäre. Das Feuer, das der Blutdämon entfacht hatte, musste in den bis zum Bersten vollgestopften Regalen und Ständern reiche Nahrung finden, denn als ich das Hotel – das am entgegengesetzten Ende der gleichen Straße lag – erreichte, quollen bereits schwere schwarze Rauchwolken aus den geborstenen Fenstern, und die ersten Stichflammen züngelten auf die Straße hinaus. Wenn Leyman sich noch in dieser Hölle aufhielt, dann war er rettungslos verloren.
Genau wie ich, wenn ich noch lange hier herumstand …
Ich riss mich gewaltsam von dem gleichermaßen erschreckenden wie faszinierenden Bild los, stürmte ins Hotel und rannte auf die breite Treppe am entgegengesetzten Ende des Raumes zu. Der Portier versuchte vergeblich, mich zurückzurufen, aber auf halben Wege fiel mir ein, dass ich weder Bannermanns Zimmernummer noch die seiner Männer wusste. Ich machte auf dem Absatz kehrt, hetzte, immer drei, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe wieder herunter und auf den verdutzt dreinblickenden Mann zu.
»Bannermann!«, keuchte ich. »Captain Bannermann und seine Männer – wo sind sie?«
Der Mann starrte mich an, schwieg aber beharrlich. Wütend hob ich die Hand, um ihn beim Kragen zu packen
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