Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
es war.
Die Bibliothek war ein gewaltiger, bis unter die Decke mit Regalen vollgestopfter Raum, dessen gesamte Einrichtung aus einem rechteckigen, polierten Tisch und vier Stühlen bestand. Dicke, sicherlich kostbare Teppiche bedeckten den Boden, und im Kamin – mit Ausnahme der Fenster und der Tür der einzige Fleck, der nicht mit Büchern vollgestopft war – brannte ein gewaltiges Feuer. Boldwinn deutete mit einer einladenden Geste auf den Tisch, wartete, bis wir an ihm vorübergegangen waren und schloss die Tür.
Erstaunt blieb ich stehen.
Der Tisch war nicht leer. Auf dem polierten Holz stand ein verzierter silberner Leuchter mit nahezu einem Dutzend brennender Kerzen und an seinen vier Kopfenden standen vier Teller, komplett mit Besteck, Gläsern und säuberlich gefalteten Servietten. Vier Teller … dachte ich verwirrt. Fast, als hätte er uns erwartet.
»Erwarten Sie Gäste?«, fragte Howard.
»Gäste?« Boldwinn blickte einen Moment lang irritiert von ihm zu mir und zurück, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ach, das Geschirr, meinen Sie?« Er lächelte. »Nein. Aber Carradine bereitet immer schon alles für das Frühstück vor, bevor er zu Bett geht. Ich habe ihm tausendmal gesagt, dass ich das nicht will. Die Teller und Gläser stauben ein, wissen Sie? Aber es ist sinnlos. Er ist nun mal ein Krüppel, und leider nicht nur körperlich.« Er seufzte. »Aber setzen Sie sich doch, meine Herren.«
Howard starrte ihn eine endlose Sekunde lang durchdringend an, dann zuckte er mit den Achseln und gehorchte. Auch ich zog mir einen der Stühle heran und ließ mich darauf nieder, während Rowlf neben dem Kamin stehen blieb, sich unglücklich umsah und ganz offensichtlich nicht wusste, was er mit seinen Händen tun sollte. Boldwinn runzelte die Stirn und schenkte ihm einen langen, strafenden Blick, wandte sich dann aber wieder an Howard.
»Sie entschuldigen mich einen Moment«, sagte er. »Ich will sehen, wie weit Carradine ist. Ihre Zimmer müssen noch vorbereitet werden.«
»Machen Sie sich nur keine Umstände unseretwegen«, sagte Howard hastig. »Wir …«
»Aber ich bitte Sie«, unterbrach ihn Boldwinn, und er tat es in einem Ton, der keinen weiteren Widerspruch duldete. »Es sind keine Umstände. Das Haus steht praktisch leer und ich habe genug Zimmer, mit denen ich sowieso nichts anfangen kann. Ich bin gleich zurück.« Damit wandte er sich um und verließ den Raum.
Howard starrte ihm stirnrunzelnd nach, auch als die Tür schon lange ins Schloss gefallen war. Es war nicht schwer seine Gedanken zu erraten. Seine Finger spielten nervös mit dem kleinen Stöckchen, das er ständig mit sich herumschleppte. Aber er schwieg verbissen.
Schließlich hielt ich das Schweigen nicht mehr aus. »Also?«, sagte ich.
Howard sah auf. »Was – also?«
»Du weißt, was ich meine«, sagte ich verärgert. »Was hältst du von ihm? Und von diesem Haus?«
»Was ich von ihm halte?« Howard wandte den Blick und starrte in die prasselnden Flammen im Kamin, als könne er die Antwort auf meine Frage dort lesen. »Das ist nicht so leicht zu sagen, Robert. Boldwinn ist ein seltsamer Mann, aber es ist noch kein Verbrechen, ein Exzentriker zu sein.«
Ich spürte deutlich, dass er nicht aussprach, was er dachte. Er fühlte wie ich, dass mit Boldwinn, seinem sonderbaren Diener und diesem ganzen Haus etwas nicht stimmte; ganz und gar nicht stimmte. Und auch Rowlf schien die boshafte Aura, die dieses Haus ausstrahlte, zu fühlen. Und er hatte weniger Hemmungen als Howard, seine Gefühle in Worte zu fassen.
»Der Kerl is meschugge«, sagte er. »Plemplem. Und außerdem isser mir unheimlich.«
Howard lächelte flüchtig. Kopfschüttelnd kramte er eine flache silberne Dose aus der Tasche, entnahm ihr eine seiner dünnen schwarzen Zigarren und suchte nach Streichhölzern. Als er keine fand, stand er auf, ging zum Kamin hinüber und ließ sich davor in die Hocke sinken.
»Am liebsten würde ich wieder fahren«, murmelte ich. »Mir wäre beinahe wohler, draußen im Wagen zu schlafen als in diesem Haus.«
»Geht mir genauso«, murmelte Rowlf. Er sprach sehr leise, aber auf seinem Gesicht lag ein nervöser Zug, und sein Blick huschte unentwegt hierhin und dorthin. Er war nervös. Wie wir alle.
Howard hatte seine Zigarre mit einem brennenden Span entzündet, richtete sich auf und trat neugierig an die Bücherregale heran, die den Kamin flankierten. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, da er mir den Rücken zudrehte, aber ich
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