Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
setzte. Auch Rowlf nahm Platz und nach kurzem Zögern ließ auch ich mich auf einen der unbequemen Stühle sinken. Howard atmete hörbar ein, legte Hut und Stock vor sich auf den Tisch und angelte eine Zigarre aus der Brusttasche, während Rowlf sein mitgebrachtes Bier mit einem Zug leerte und das Glas unnötig laut abstellte. Unser Gegenüber schrak auf, blinzelte und schloss mit einem neuerlichen Grunzen die Augen wieder.
Aber er tat so, als döse er vor sich hin. Seine Lider waren einen winzigen Spalt breit geöffnet und der Blick der dunklen Augen dahinter war klar und wach. Er war weder betrunken noch müde. Ich versuchte Howard unter dem Tisch zu treten, um ihn darauf aufmerksam zu machen, traf aber stattdessen nur Rowlf. Howard grinste, sog an seiner Zigarre und verbarg sein Gesicht hinter einer übelriechenden Qualmwolke.
Wir sprachen über dies und das, bis der Wirt endlich kam und das Bier brachte, das ich bestellt hatte. Das Glas war nur halb voll.
»Wunderbar«, sagte Howard. »Bringen Sie doch meinem Freund und mir auch noch gleich zwei Gläser. Und dem Herrn da auch.« Er deutete auf den Mann uns gegenüber und lächelte. »Als kleines Trostpflaster, dass wir ihn belästigen müssen.«
Der Mann öffnete träge ein Auge, blickte Howard einen Moment lang forschend an, und ließ das Lid wieder herunterfallen. Die Reaktion, die Howard offensichtlich hatte erreichen wollen, blieb aus. Aber Howard lächelte nur weiter, lehnte sich wieder zurück und fuhr fort sich mit Rowlf zu unterhalten, als wäre nichts geschehen. Ich bewunderte die Gelassenheit, die er an den Tag legte.
Nach einer Weile kam der Wirt wieder, brachte zwei halb volle und ein zur Gänze gefülltes Glas mit Ale und setzte seine Last klirrend auf dem Tisch ab, so wuchtig, dass ein paar Spritzer der dunkelbraunen Flüssigkeit Howards Hut trafen und hässliche Flecken darauf hinterließen. Das volle Glas schob er über den Tisch, bis es klirrend gegen das unseres Gastes stieß, während er die beiden anderen stehen ließ.
Rowlf knurrte, drehte sich halb auf dem Stuhl herum und griff nach seinem Arm, als der Wirt sich entfernen wollte. Der Mann fuhr zusammen; seine Mundwinkel zuckten vor Schmerz und Überraschung, und für einen Moment tat er mir fast Leid. Ich wusste, wie hart Rowlfs Griff sein konnte.
»Was kost hier eintlichn volles Glas?«, fragte Rowlf übellaunig. »Oder is euch das Bier ausgegang?«
Der Wirt riss seine Hand mit einem wütenden Ruck los – besser gesagt, er versuchte es. Aber Rowlfs gewaltige Pranke hielt seine Hand so fest, als wäre sie angewachsen. »Hören Sie!«, zischte er, wobei es ihm nicht ganz gelang, das ängstliche Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Über seine Schulter hinweg sah ich, wie sich eine Anzahl Gesichter in unsere Richtung wandten. Die eine oder andere Gestalt spannte sich. »Wenn Sie hierhergekommen sind, um Ärger zu machen, dann …«
»Hör auf, Will.«
Ich sah überrascht auf, und auch Howard wandte den Blick und runzelte die Stirn. Der Mann, der sich bisher schlafend gestellt hatte, hatte sich aufgesetzt und blickte den Wirt kopfschüttelnd an.
»Benimm dich und bring den Herren ein volles Glas Ale«, sagte er leise. »Schließlich bezahlen Sie ja auch dafür, oder? Und Sie« – damit wandte er sich an Rowlf – »lassen bitte seine Hand los. Sie brauchen nicht gleich handgreiflich zu werden.«
Rowlf blickte ihn einen Moment lang böse an, ließ aber dann – wenn auch erst auf einen auffordernden Blick Howards hin – den Arm des Wirtes los und rutschte wieder auf seinem Stuhl herum. Sein Bulldoggengesicht war ausdruckslos wie immer, aber ich kannte das Glitzern in seinen Augen. Rowlf war niemand, der sich von Fremden sagen ließ, was er zu tun oder zu lassen hatte.
Aber zu meiner Erleichterung registrierte Howard seinen Blick ebenso und wandte sich rasch an den Fremden, ehe Rowlf irgendwelchen Blödsinn machen konnte. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er übertrieben freundlich.
Der andere winkte ab, griff nach seinem Glas und nahm einen gewaltigen Schluck. »Schon gut«, sagte er, während er sich mit dem Jackenärmel den Schaum von den Lippen wischte. »Will ist ein Schlitzohr, dem man auf die Finger schauen muss. Außerdem war ich es Ihnen schuldig.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf sein Bier, grinste und wurde übergangslos wieder ernst. »Sie sollten ein bisschen vorsichtiger sein«, sagte er, zwar an Howard gewandt, aber eindeutig zu Rowlf gemeint. »Es
Weitere Kostenlose Bücher