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Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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rätselhaften Symbolen, schattenhafte Gestalten und dann …
    Einen aufgebrachten Mob, der mit Latten, Ketten, Steinen auf sie eindrang, hasserfüllte Gesichter, gierige Hände, die ihr die Kleider vom Leibe rissen, scharfe Messer und Stöcke schwangen, sie schlugen, sie misshandelten, sie …
    »Nein«, keuchte Priscylla.
    Der Wirbel verstärkte sich, aber sie weigerte sich, stemmte sich gegen die Gewalten, die sie mit sich zu reißen versuchten. Sie war stark, sie musste kämpfen, sie durfte nicht aufgeben, musste sich gegen den glühenden Feuerball stemmen …
    Und dann, ganz plötzlich, war es vorbei.
    Sie stöhnte auf, halb vor Schmerzen, halb vor Erleichterung.
    Die Luft wich aus ihren Lungen und hinterließ in den Atemwegen ein verkrampftes, erstickendes Gefühl. Sie taumelte und musste sich am Rahmen der Tür festhaken, um nicht zu stürzen. Während sie gierig ein- und ausatmete, hatte sie noch immer das Gefühl, von tosenden Flammen umgeben zu sein. Aber jetzt war es nicht mehr als eine entfernte Vision, ein Tagtraum, den sie an den Rand ihres Denkens drängen konnte.
    »Ich bekomme … keine Luft«, stieß sie hervor. »Kann man denn hier kein Fenster aufmachen?«
    Acorn lachte rau. »Hier unten gibt es keine Fenster, Lyssa«, sagte er. »Der Hölle sei Dank.«
    Lyssa, die Hexe, nickte langsam, als müsse sie sich erst besinnen, wo sie war. Der quälende Druck auf ihre Kehle wich und sie spürte, wie sie neue Kraft durchpulste.
    »Wir sind im Keller, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Im Keller, allerdings. Im Heiligtum, um genau zu sein.« Acorn fuhr sich mit der Hand durch die Haare und warf einen Blick auf Mrs. Sunday, die ihre Unterhaltung verfolgen musste, ohne sich rühren zu können.
    »Ich fühle mich richtig erlöst, Lyssa«, bekannte er. »Jetzt ist endlich der Tag gekommen, auf den wir so lange gewartet haben.«
    Lyssa nickte. In ihren Augen glomm ein geheimes Feuer. »Es wird Zeit, dass wir es zu Ende bringen«, sagte sie kühl. »Du hast anschließend noch genug Zeit, dich erlöst zu fühlen.« Ihr Blick fiel auf Santers, der ihr Gespräch schweigend verfolgte.
    »Du hast gute Arbeit geleistet, Santers, aber das ist noch kein Grund, dich jetzt auszuruhen.« Sie deutete auf das wehrlose Bündel, zu dem er Mrs. Sunday zusammengeschnürt hatte. »Was getan werden muss, wird getan. Mach dich an die Arbeit.«
    Sie stieß sich vom Türrahmen ab und hielt auf den Tisch zu. Noch immer fühlte sie sich schwach, aber es war nur eine rein körperliche Schwäche, die nichts zu bedeuten hatte. Die Kraft, die in ihr schlummerte, hatte alles hinweggewischt, was sie vor ein paar Minuten noch empfunden hatte.
    Es erschien ihr geradezu lächerlich, dass sie noch gerade so etwas wie Mitleid mit Mrs. Sunday empfunden hatte. Ein Menschenleben mehr oder weniger, was bedeutete das schon? Sie erinnerte sich an das Gefühl, aber es war, als wären es die Erinnerungen eines anderen.
    Es galt jetzt, das zu Ende zu führen, was vor langer, langer Zeit in Jerusalems Lot begonnen hatte. Andara, der Verräter, der sie und die anderen Hexer so schmählich im Stich gelassen hatte, der die Schuld an dem Unglück trug, dem sie alle zum Opfer gefallen waren, war ausgelöscht – aber noch lebte sein Sohn. Der Fluch war noch nicht erfüllt.
    Sie ließ sich auf einem der harten Holzstühle nieder und beobachtete ungerührt, wie Santers und Acorn Mrs. Sunday hochzerrten, mit ungeduldigen Bewegungen ihre Fesseln durchtrennten, ihr den Knebel aus dem Mund rissen und sie zu der breiten Holzbank führten, die an der dunklen Außenwand stand. Das Messer in Acorns Hand funkelte bedrohlich, aber sie wusste, dass er es noch nicht benutzen würde.
    Noch war es nicht soweit.
     
    Seans Fähigkeiten hatten mich auf’s Neue in Erstaunen versetzt. Die Leichtigkeit, mit der er das verschlossene Gartentor aufbekommen hatte, trug nicht gerade dazu bei, meinen Verdacht zu zerstreuen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Seine Anwesenheit im Wald, seine Zielstrebigkeit, mit der er mir seine Begleitung angeboten hatte …
    Während wir auf das Haus zugingen, ließ mich das quälende Gefühl nicht los, dass Sean nicht hierhin gehörte. Bei dem, was ich tun musste, konnte ich keinen unsicheren Begleiter gebrauchen. Ich musste unbedingt herausbekommen, was Sean hier eigentlich suchte – oder wer er war.
    Der Nebel hatte sich zum größten Teil gelichtet und gab den Blick auf eine großzügige Parkanlage und ein im Dunkeln liegendes, großes Haus frei. Was

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