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Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser

Titel: Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwanden.
    Noch einmal versuchte ich mich aufzusetzen – und diesmal hinderte mich mein Retter nicht daran.
    »Sie … Sie haben mir das Leben gerettet«, sagte ich, verwirrt und mit einem Male wieder von einer leisen Spur von Furcht erfüllt. Im gleichen Maße, in dem der dumpfe Druck aus meinem Schädel wich, kehrten die Erinnerungen zurück.
    Unwillkürlich wandte ich den Kopf und blickte zur Badezimmertür hinüber. Sie war wieder geschlossen, aber der breite, gesplitterte Riss in ihrem Holz schien mich wie ein höhnisches Maul anzugrinsen. Ein eisiger Schauer lief über meinen Rücken.
    Der Fremde war meinem Blick gefolgt und als ich ihn wieder ansah, entdeckte ich eine sonderbare Mischung aus Freundlichkeit und Sorge in seinen Augen.
    Überhaupt wirkte er sehr sanft, fand ich. Sein Gesicht war zart wie das eines Mädchens und der Blick seiner Augen war sehr weich. Im ersten Moment schätzte ich ihn auf einen Knaben von siebzehn, vielleicht achtzehn Jahren. Dann gewahrte ich die dünnen Linien um seinen Mund und die Augen und sah, dass er älter war. Zwanzig, vielleicht zweiundzwanzig.
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ihn anstarrte. Verlegen senkte ich den Blick und schwang die Beine vom Bett. Meine Muskeln reagierten mit einem wütenden Bombardement kleiner, stechender Schmerzen auf die plötzliche Bewegung.
    Mein Blick streifte den verbrannten Saum meines rechten Hosenbeines und der Anblick ließ die Erinnerung an einen grausamen Schmerz und den Gestank verschmorten Fleisches in mir aufsteigen.
    Erschrocken beugte ich mich vor, zog das Hosenbein hoch und sah mein Bein an.
    Die Haut unter dem verkohlten Stoff war unverletzt und rosig wie die eines Neugeborenen.
    Einen Moment lang starrte ich das unglaubliche Bild an, dann fuhr ich hoch, hob mit einem Ruck die rechte Hand vor die Augen und drehte sie ungläubig.
    Auf meiner Handwurzel war eine dünne, rote Linie zu sehen, weniger als ein Kratzer. Von der Wunde, die der Holzsplitter in mein Fleisch gerissen hatte, war nichts mehr geblieben.
    Ungläubig ließ ich die Hand sinken und starrte meinen Retter an. »Was … was haben Sie … getan?«, keuchte ich.
    Ein rasches, fast amüsiertes Lächeln huschte über die Züge meines Gegenübers. »Nichts, worüber Sie erschrecken müssten«, sagte er. »Sie waren ziemlich übel verletzt. Ich musste Ihnen helfen.«
    »Aber das …« Ich brach ab, starrte abwechselnd meine Hand und das Bein an und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber das ist doch unmöglich!«, keuchte ich. »Das ist ein Wunder!«
    »Mit dem Wort sollte man vorsichtig sein«, sagte mein Retter und in seiner Stimme war ein sonderbarer Ernst, den ich mir nicht erklären konnte. »Ich habe nichts getan, was nicht zu erklären wäre. Aber es wäre zu kompliziert, würde ich es jetzt versuchen. Sind Sie fremd hier in der Stadt?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich dem Gedankensprung zu folgen imstande war. »Ja«, antwortete ich. »Ich … bin heute Morgen angekommen. Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich habe Ihr Gepäck gesehen«, antwortete der junge Mann. »Aber ich frage mich, warum Sie nicht in ein Hotel ziehen. Ihrer Kleidung nach zu schließen dürften Sie es kaum nötig haben, in einem Abbruchhaus zu schlafen. Oder verstecken Sie sich?«
    »Aber ich bin in einem Ho …«, begann ich, sprach dann aber nicht weiter, sondern blickte mich voller plötzlichem Schrecken um. Ich war bisher viel zu verstört und benommen gewesen, um wirklich auf meine Umgebung zu achten.
    Ich war in meinem Hotelzimmer, wie ich behauptet hatte – und auch wieder nicht. Der Raum, in dem wir uns befanden, war derselbe.
    Aber wie hatte er sich verändert! Die Wände waren grau und verfallen; überall lösten sich die Tapeten. Da und dort sah der nackte Putz oder graues, von Schwamm zerfressenes Mauerwerk hervor. Der Boden war eingefallen, die Bohlen verquollen und vom Alter geborsten, und durch das glaslose Fenster pfiff der Wind herein. Das Bett, auf dem ich erwacht war, war ein einziges Trümmerstück, schräg wie ein gestrandetes Schiff auf nur drei Beinen stehend und mit vermoderten, grauen Fetzen bedeckt.
    Verstört sah ich meinen Retter an. »Das ist doch … unmöglich«, murmelte ich. »Dieses Zimmer war … war vollkommen in Ordnung, als ich heraufgekommen bin.«
    »Sie müssen ein schlimmes Zeug geschluckt haben, heute Nacht«, erwiderte er lächelnd, wurde aber dann sofort wieder ernst. »Ich kenne dieses Haus nicht«, sagte er, »aber so, wie es hier überall

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