Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
meines magischen Talentes, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden, bedurft, um das zu spüren.
»Es ist gut, Mrs. Winden«, sagte ich sanft. »Ich verstehe. Aber hören Sie auf, mich ›Mister Craven‹ zu nennen, bitte. Mein Name ist Robert.«
»Nur, wenn Sie mich Mary nennen«, antwortete sie. »Ich fühle mich um fünfzig Jahre älter, wenn mich jemand mit ›Mrs. Winden‹ anredet.«
Diesmal war mein Lachen echt.
»In Ordnung … Mary«, antwortete ich. Ich wollte noch mehr sagen, aber wieder unterbrach uns Howard.
»Vielleicht lassen Sie uns einen Moment allein, Mary«, sagte er. Ich blickte überrascht auf und sah ihn fragend an, aber Mary nickte gehorsam und verließ das Zimmer, noch ehe ich Gelegenheit fand, sie zurückzuhalten.
»Was soll das?«, fragte ich scharf, als wir allein waren. »Warum schickst du sie hinaus?«
»Weil ich mit dir zu reden habe«, antwortete Howard.
»Reden? Worüber?«
»Über Priscylla«, sagte Howard ernst. »Und über dich. Setz dich bitte.«
Ich gehorchte, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Das unmerkliche Zögern in seinen Worten war mir nicht entgangen.
»Was soll mit Priscylla sein?«, fragte ich scharf. »Sie ist hier, und ich werde mich um sie kümmern.«
»Und du glaubst wirklich, du könntest es? Du glaubst, du hättest die Chance, etwas zu vollbringen, was Dr. Gray, einer der besten Spezialisten des Landes, vergebens versucht hat?«
»Das glaube ich«, antwortete ich zornig. »Du selbst hast mir doch immer wieder erklärt, dass ich ein Magier bin, oder? Magie hat sie krank gemacht und Magie wird sie heilen. Ich werde ihr helfen, Howard, und wenn es den Rest meines Lebens in Anspruch nehmen sollte.«
Howard blinzelte. »Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte er ruhig.
Ich nickte wütend, setzte zu einer neuerlichen scharfen Antwort an und schüttelte dann doch den Kopf. Welchen Sinn hatte es, Howard zu belügen?
»Nein«, sagte ich. »Nichts ist in Ordnung, Howard. Du hast Mary gehört. Ich … hatte gehofft, dass sich ihr Zustand bessert, jetzt, wo Lyssa vernichtet ist. Aber ich muss es einfach versuchen.«
»Du fühlst dich schuldig«, behauptete Howard. »Du denkst, es wäre deine Schuld, und jetzt versuchst du es wieder gutzumachen.«
»Ist es denn nicht so?«, fragte ich leise.
»Nein, verdammt noch mal!«, schnappte Howard. »Dieses Mädchen war von Lyssas Geist besessen, lange bevor du aufgetaucht bist. Sie haben sie nur auf dich angesetzt, weil du zufällig so närrisch warst, dich in sie zu verlieben, das ist alles. Wie lange, glaubst du, haben sich die Ärzte in der Anstalt um sie gekümmert?«
Es war eine rhetorische Frage, auf die er keine Antwort erwartete. Trotzdem antwortete ich.
»Über ein Jahr.«
»Aber es hat sich nichts geändert.«
»Nein«, gestand ich niedergeschlagen. »Nichts. Ihr Zustand ist unverändert. Sie ist ruhig und manchmal sogar ansprechbar, aber sie ist noch immer … noch immer …«
»Geistesgestört«, sagte Howard, als ich nicht weitersprach.
Ich hätte ihm die Faust ins Gesicht schlagen können, für dieses Wort. Es war nicht wahr. Ich wusste es und Howard wusste es. Priscyllas Verstand war nur verwirrt. Sie war so lange eine Gefangene in ihrem eigenen Körper gewesen, dass sie den Weg zurück in die Wirklichkeit nicht mehr fand. Nun war der Dämon in ihr gebannt. Doch ihr Selbst, die echte, wahre Priscylla, das Mädchen, das ich liebte, hatte sich noch immer noch nicht aus den Spinnweben lösen können, in die finstere Mächte ihren Geist verstrickt hatten.
»Sie ist nicht geistesgestört«, sagte ich leise.
»Es ist mir egal, wie du es nennst«, sagte Howard grob. »Ich habe diese Reise mitgemacht, weil die Hoffnung bestand, es hätte sich etwas geändert. Aber es ist alles beim Alten geblieben. Sie kann nicht hierbleiben, das weißt du. Nicht in diesem Haus. Nicht einmal in dieser Stadt.«
»Sie stellt keine Gefahr mehr dar!«, behauptete ich.
»Doch, Robert«, widersprach Howard. »Im Moment vielleicht noch nicht. Aber glaube mir, ich habe sie eingehend untersucht. Mehr als einmal. Sie könnte wieder zu dem werden, was sie war. Die Hexe in ihr ist tot, aber ihr Geist ist vergiftet.«
»Du stellst unsere Freundschaft auf eine harte Probe«, sagte ich leise.
Howard ignorierte meine Worte. »Du weißt sehr gut, dass ich Recht habe«, sagte er. Sein Blick wurde hart. »Du liebst sie noch immer, nicht wahr?«
Ich antwortete nicht. Es war auch nicht nötig.
»Bist du wirklich sicher, dass du sie
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