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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich neben ihm auf die zerwühlte Bettdecke sinken.
    Sofort begann der Stoff unansehnlich und grau zu werden. Und eine einzelne, münzgroße Motte ließ sich mit einem lautlosen Flügelschlag auf seine Brust sinken.
    Ron schrie auf, fuhr hoch und schloss mit einer blitzschnellen Bewegung die Faust um das Tier.
    »Nein!«, schrie Howard. »Nicht! Werfen Sie sie weg!«
    Ron schloss die Faust noch fester um die Motte, richtete sich auf und blickte abwechselnd Howard und seine zusammengepressten Finger an.
    Es ging ganz schnell.
    Seine Finger wurden grau. Die Haut riss, aber sie blutete nicht, sondern rollte sich wie trocken gewordenes Pergament auf. Adern und Sehnen traten wie Stricke durch die dünner werdende Haut, seine Hand verkrampfte sich, zog sich wie unter einer inneren Spannung zusammen und wurde zu einer verkrümmten, ausgemergelten Klaue.
    Der Hand eines alten, eines uralten Mannes …
    Rons Lippen öffneten sich. Ein würgender, ungläubiger Laut drang aus seiner Brust. »Helft … mir!«, keuchte er. »Ich … ich sterbe …«
    Howard sprang vor, packte den Mann bei den Schultern und zerrte ihn vom Bett herunter. Der Mottenschwarm über ihm begann zu kochen. Dutzende der kleinen grauen Tiere fielen wie Staub auf das Bett herab, regneten rings um Howard und den Kutscher auf den Teppich oder ließen sich auf den Wänden und dem Boden nieder. Howard brüllte, zertrat eines der Insekten, das einen Finger breit vor ihm zu Boden gefallen war, warf sich herum und robbte, Ron mit sich zerrend, vom Bett fort.
    »Das Licht!«, schrie er. »Robert – das Licht!«
    Ich reagierte beinahe zu spät. Bisher hatte wie durch ein Wunder keines der grauenhaften Wesen Howard oder den Kutscher berührt, aber die hektische Bewegung der beiden schien die Tiere zur Raserei zu bringen. Meine Hand zuckte zu dem kleinen, versteckt angebrachten Rädchen, das die Gaszufuhr regulierte, und warf es mit einem Ruck herum. Das Licht wurde blasser und erlosch.
    Aber es wurde nicht vollkommen dunkel. Durch das zerborstene Fenster fiel ein blasser Lichtschimmer hinein und versilberte die Motten, die wie toll hin und her flatterten und das Zimmer in ein Chaos aus Bewegung und raschelnden, knisternden Geräuschen verwandelten, und das Kaminfeuer begann plötzlich höher zu brennen; winzige, kurzlebige Funken flammten auf und erloschen, und in das Rascheln der Mottenflügel mischte sich ein trockenes, widerliches Knacken.
    Es war genau wie draußen in der Halle. Die Tiere wurden vom Licht des Feuers magisch angezogen und stürzten sich blindlings in die Flammen …
    Howard versetzte mir einen Stoß, der mich endgültig aus meiner Starre riss, bugsierte Ron hinter mir unsanft aus dem Raum und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Das Knacken und Prasseln des Kaminfeuers wurde immer lauter und für einen Moment bildete ich mir ein, ein flackerndes rotes Licht unter der Tür hervorscheinen zu sehen.
    »Weiter!«, keuchte Howard. »Zur Bibliothek, Robert! Um Gottes willen schnell!«
    Die Motten rannten noch immer gegen die Tür und die Fenster an, und ich wusste, dass es nur noch Sekunden dauern konnte, ehe sie ihrem Ansturm erliegen und zerbrechen mussten. Selbst das eigentlich unzerstörbare Bleiglas musste alt und brüchig werden, wenn jede Sekunde ein Jahrzehnt bedeutete, und es würde irgendwann einfach unter seinem eigenen Gewicht zerfallen und zu Staub werden.
    Aber der Schrecken vermochte die dumpfe Betäubung, die sich um meine Gedanken gelegt hatte, nicht zu durchbrechen.
    »Beeil dich!«, sagte Howard ungeduldig. »Wir müssen nach oben. In die …«
    Er sprach nicht weiter.
    Vom oberen Ende der Treppe erscholl ein gellender, verzerrter Schrei: »Bleibt unten! Es ist eine Falle!«
    Irgendetwas polterte, dann erklang ein Laut, als schlüge Stahl oder Stein auf Fleisch, und plötzlich torkelte Rowlfs hünenhafte Gestalt auf den Balkon hinaus. In einem grotesken Satz prallte er gegen das Treppengeländer, drehte sich herum und suchte nach Halt, aber seine Hände schienen nicht mehr die Kraft zu haben, seinen Körper zu stützen. Er wankte, glitt auf der obersten Stufe aus und prallte schwer gegen die Wand. Sein Mund öffnete sich, aber kein Laut drang über seine Lippen. Ich sah, wie er qualvoll nach Atem rang.
    Dann trat eine zweite Gestalt auf den Balkon hinaus, langsamer als Rowlf und hoch aufgerichtet, mit gestrafften Schultern.
    Es war ein Mann. Sein Gesicht war hinter einem schwarzen Tuch verborgen, das Nase und Mund bedeckte und an den

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