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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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müssen.
    »Howard«, murmelte ich. »Was ist mit … Howard?«
    Statt einer Antwort richtete Rowlf mich auf, griff mit beiden Händen unter meine Achseln und schleifte mich zur Balkonbrüstung.
    Trotz des nur schwachen Lichtes, das die einzeln dastehende Lampe verbreitete, konnte ich die weitläufige Eingangshalle gut überblicken. Aber das Bild, das sich mir bot, ließ mir abermals den Atem stocken.
    Howard und der Kutscher hockten zusammengesunken wenige Schritte vor der Treppe, zwei einsame Gestalten in einem Meer winziger, grauer Körper. Der Drachenkrieger lag wenige Schritte neben ihnen, verkrümmt und halb eingesunken in die knöcheltiefe graue Masse, die seinem Aufprall nichts von der tödlichen Wucht genommen hatte. Einer Masse, die den Boden der Halle von einem Ende zum anderen bedeckte.
    Motten.
    Es mussten Millionen sein, Millionen und Abermillionen der winzigen tödlichen Tiere, die durch die zerborstenen Fenster hereingequollen waren. Sie bedeckten nicht nur den Boden, sondern auch die Möbel, Bilder- und Türrahmen, Deckenleisten … jeder noch so winzige Vorsprung schien mit flockigem grauem Schnee bedeckt, und plötzlich spürte ich auch den fremdartigen scharfen Geruch, der die Luft erfüllte.
    Und die Motten waren nicht nur unten in der Halle. Auch die Treppenstufen waren von dem grauen Schnee bedeckt, und als ich den Blick senkte, gewahrte ich auch unter meinen Füßen eine dünne, graue Schicht, in der es ununterbrochen zu zucken und zu beben schien, zertrampelt und aufgewühlt von den Spuren des Kampfes, aber allgegenwärtig.
    Dann begann der lähmende Schrecken zu weichen und ich sah, dass die drohende Bewegung nur meiner Einbildung entsprungen war.
    Die Motten rührten sich nicht mehr, so wenig wie die, die den Boden der Halle bedeckten.
    Sie waren tot.
    Alle.
     
    Der Mann erwachte aus seiner Starre. Stundenlang hatte er wie tot dagestanden, ohne sich zu bewegen, ohne auch nur die Lider zu heben, ja, selbst ohne zu atmen. Es war nur sein Körper gewesen, der unter dem Dach des verfallenen Hauses zurückgeblieben war. Sein Geist hatte an einem anderen Ort geweilt, nur ein paar Meilen entfernt und doch durch Welten von dem einzeln dastehenden, abbruchreifen Haus entfernt.
    Jetzt erwachte er. Seine Brust hob sich mit einem mühevollen Atemzug und sein Blick irrte einen Moment unstet hin und her, als fände er den Weg in die Wirklichkeit nicht gleich zurück.
    Etwas war nicht so, wie es sein sollte.
    Er wusste nicht, was es war. Er hatte getan, was man ihm aufgetragen hatte, aber irgendetwas anderes, Fremdes, etwas … ja, Feindseliges hatte das geistige Band, das ihn mit dem Haus am anderen Ende der Stadt verband, zerschnitten.
    Lange Zeit stand er schweigend im Dunkeln und starrte den grauweißen Riesenkokon vor sich an. Nur wenige Motten waren darauf zurückgeblieben, als die Dunkelheit und die Zeit ihres Schwärmens gekommen war, und auch sie wirkten seltsam träge und schwach. Als lähmte sie etwas, dachte der Mann.
    Aber was? Er versuchte erneut Kontakt mit seinen mörderischen kleinen Dienern aufzunehmen, aber die Verbindung war abgeschnitten; etwas blockierte die Wege, die sein Geist gegangen war, um die Tiere zu lenken.
    Wieder vergingen Minuten, bis der dunkel gekleidete Fremde aus seiner Starre erwachte. Er trat noch einmal an den gewaltigen grauen Kokon heran, streckte die Hand aus, als wolle er ihn berühren, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern wandte sich im letzten Moment um und verließ mit raschen Schritten den Dachboden. Die ausgetretenen Stufen ächzten unter seinem Gewicht, als er die baufällige Treppe hinuntereilte.
    Er würde wiederkommen. Er würde wiederkommen und herausfinden, was es war, das ihn an der Vollendung seiner Aufgabe hinderte. Er würde es herausfinden, das Hindernis beseitigen und tun, wozu er gekommen war. Er zweifelte nicht daran, denn er war etwas, das man ihm nicht ansah, etwas, das ihn mächtiger und gefährlicher machte als die, deren Gestalt er sich bediente, solange er in dieser Stadt war.
    Er war ein Magier.
     
    Howards Hand zitterte so stark, dass er fast das Streichholz fallen ließ, mit dem er seine Zigarre anzünden wollte. Er war bleich und sein Atem ging stoßweise und schnell, als wäre er meilenweit gelaufen.
    Auf der Tischplatte vor ihm stand ein geleertes Glas, auf dessen Boden noch ein kleiner Rest goldgelben Whiskys schimmerte; es war das achte oder neunte, das er im Laufe der letzten halben Stunde hinuntergestürzt hatte.

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