Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
begreife nur, dass du Unsinn redest«, erwiderte Howard ruhig. »Es war nicht deine Schuld, dass Necron hierhergekommen ist. Und es war auch nicht deine Schuld, dass dieser Tornhill verrückt genug war, seine Drachenkrieger angreifen zu wollen.«
Zumindest in diesem Punkt irrte er. Juristisch traf mich vielleicht keine Schuld daran – aber ich gab mir die Verantwortung, zumindest zu einem Teil. Aber das gehörte nicht hierher. Ich hatte Howard nichts davon erzählt, und ich würde es auch nicht tun. Das war eine Sache, die nur mich anging.
»Und heute?«, fragte ich. »Diese … diese Motten, oder was immer sie waren?«
Howard schwieg. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß, obwohl es kühl in der Bibliothek war. »Das hatte nichts mit dir zu tun«, sagte er leise. »Ich … dachte es im ersten Moment auch, aber es stimmt nicht.«
»Was meinst du damit?«, fragte ich. Eine unbestimmte Ahnung stieg in mir auf. Ich spürte, dass die Einzelteile des Puzzles alle da waren – aber noch ergaben sie keinen Sinn, weigerten sich, sich zu einem Bild zusammenzufügen.
»Es sollte so aussehen«, antwortete Howard, ohne mich anzusehen. »Du solltest glauben, dass dieser Anschlag dir galt. Dieser nachgemachte Drachenkrieger diente keinem anderen Zweck, als dich zu täuschen, Robert.«
»Sagtest du – nachgemacht?«, fragte ich verwirrt.
Howard sah mich mit einem beinahe mitleidigen Blick an. »Dieser Mann war kein Drachenkrieger«, sagte er. »Wenn er das wirklich gewesen wäre, dann wärst du jetzt tot, mein Junge.«
Ich legte demonstrativ die Hand auf meine zerschundenen Rippen und zog eine übertrieben schmerzhafte Grimasse. »Viel hat ja auch nicht gefehlt.«
»Das ist der Unterschied«, sagte Howard ernst. »Bei einem wirklichen Drachenkrieger hätte dieses nicht viel eben nicht gefehlt. Du glaubst vielleicht, diese Männer zu kennen, Robert, aber du täuschst dich. Wäre er wirklich das gewesen, als was er sich ausgegeben hat, dann hätte er dich aufgeschlitzt, ehe du ihm auch nur nahe gekommen wärst.«
»Ich hatte Glück«, sagte ich, »das war alles. Hätte er keinen Fehltritt gemacht -«
»Blödsinn«, unterbrach mich Howard. »Du hattest kein Glück, Junge, er hatte Pech, so herum gibt die Sache einen Sinn. Er wollte dich nicht töten. Er wollte, dass du genau das denkst – dass du Glück gehabt hast. Er sollte dich verletzen; dich ein bisschen wütend machen. Dass er sich dabei das Genick bricht, war wohl nicht vorgesehen, aber das ist auch schon alles.«
»Und wer war er wirklich?«, fragte ich, ganz leise und obwohl ich die Antwort im Grunde schon wusste.
Howard antwortete nicht, sondern blickte nur starr an mir vorbei ins Leere, aber sein Schweigen war schon Antwort genug. Langsam ordneten sich die wirr durcheinanderliegenden Teile des Puzzles zu einem Ganzen.
»Der Angriff galt dir«, sagte ich. »Diejenigen, die diesen Mann geschickt haben, waren die gleichen, in deren Auftrag van der Groot und der Doppelgänger Grays gekommen sind!«
»Und wenn?«, fragte Howard. Seine Stimme war jetzt ganz leise. Sie klang flach, tonlos wie die eines Menschen, der mit allerletzter Kraft um seine Beherrschung kämpft.
»Es ist diese … Loge«, fuhr ich fort. »Die Männer, zu denen du gehen willst. Nach Paris.«
Howard sah auf. Für einen ganz kurzen Moment blitzte Zorn in seinen dunklen Augen. »Rowlf hat mit dir geredet.«
»Das hat er«, gestand ich. »Aber es wäre nicht nötig gewesen. Es ist nicht sehr schwer, eins und eins zusammenzuzählen, weißt du? Ich werde nicht zulassen, dass du dorthin gehst, Howard.«
»So?«, machte er spöttisch. »Wirst du nicht?«
Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht nach dem, was heute passiert ist. Diese Loge, oder wer immer sie sind -«
»Es ist keine Loge«, unterbrach mich Howard zornig. Seine Hände pressten sich so fest um die Sessellehne, dass das Holz ächzte. »Wofür hältst du mich, Robert? Für einen Gecken, der seine Zeit mit spiritistischen Sitzungen oder Geheimtreffen vertut? Diese … Loge, wie du sie nennst, ist eine Organisation, die …«
»Eine Organisation von Magiern?«
Howard überging meine Frage. »Es ist ein Geheimbund«, sagte er. »Ein sehr mächtiger Geheimbund, Robert, vielleicht der mächtigste überhaupt. Ich habe gedacht, ich könnte seiner Macht trotzen, aber ich habe mich geirrt. Ich bin länger als zehn Jahre vor ihnen davongelaufen, aber es hat keinen Sinn mehr.« Plötzlich wurde seine Stimme bitter. »Du glaubst, dich
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