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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bei einem Menschen gesehen hatte; ein Grauen, das ihn selbst jetzt an den Rand des Zusammenbruches trieb.
    Es war nicht die Angst vor mir, wie ich im ersten Moment glaubte. Trotz des suggestiven Bannes, in dem ich sein Bewusstsein hielt, löste allein die Erwähnung der Van Dengsterstraat eine fast panische Angst in ihm aus.
    Erschrocken löste ich meinen geistigen Griff, trat einen halben Schritt von der Kutsche zurück und sah den Mann mit einer Mischung aus Bestürzung und Unverständnis an. Er machte mir nichts vor; das konnte er gar nicht. Nein – sein Schrecken war echt.
    Der Kutscher blieb noch eine Sekunde lang wie gelähmt und in sonderbar erstarrter Haltung auf seinem Bock hocken, dann stieß er einen keuchenden Schreckenslaut aus, schwang seine Peitsche und raste davon.
    Verstört blickte ich der Kutsche nach. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, den Mann zurückzurufen; selbst jetzt noch. Aber ich tat es nicht. Ich hatte nicht nur die Macht meines Vaters geerbt, sondern mit ihr auch Verantwortung. Es stand mir nicht zu, einem Menschen eine solche Qual zu bereiten, wie ich sie in seinen Augen gelesen hatte.
    Aber warum?, dachte ich verwirrt. Was war in dieser Van Dengsterstraat, dass der bloße Gedanke daran einen Menschen halbwegs in den Wahnsinn trieb?
    Erst nach einigen Augenblicken bemerkte ich den Passanten, der neben mir stehen geblieben war. Es handelte sich um einen kleinen, verhutzelten Mann, der einen schlecht sitzenden und selbst für Amsterdamer Verhältnisse mehr als altmodischen Anzug trug und dessen spitzes Gesicht mich irgendwie an eine Ratte erinnerte. Seine Augen waren fast ohne Pupillen.
    »Habe ich recht gehört, Mijnheer? Sie suchen die Van Dengsterstraat? Da kann ich Ihnen ganz sicher helfen«, sagte er und entblößte seine gelben Zähne zu einem widerlichen Grinsen. Die kleinen, rotgeränderten Augen starrten mich so lauernd an, als wolle er mein Innerstes nach außen kehren, um zu untersuchen, wie er mich am besten übers Ohr hauen konnte.
    Der Kerl gefiel mir ebenso wenig wie ein Kilo Arsen zum Frühstück. Aber ich war viel zu verwirrt und betäubt von der extremen Reaktion des Kutschers, um den Gedanken zu Ende zu verfolgen. Und es war das erste Mal, dass ich jemanden traf, der wenigstens zugab, diese Straße zu kennen.
    Der Fremde deutete mein Schweigen wohl als stumme Aufforderung weiterzureden, und kam ihr nach. »Sie haben Ihre Suche an der falschen Stelle begonnen, Mijnheer. In diesem vornehmen Viertel werden Sie vergebens nach jemandem suchen, der Sie zur Van Dengsterstraat fährt. Da müssen Sie schon in die Nähe des Hafens gehen und sich von einem Kahnführer hinbringen lassen.«
    Er deutete eine Verbeugung an, die mir ziemlich grundlos erschien, und fuhr verschlagen fort: »Darf ich Ihnen den Schiffer Nies empfehlen? Sie finden ihn an der St.-Vincentius-Brücke!«
    Mit einem Kichern lüftete der Mann seinen Hut und schlurfte die Straße hinab. Er ließ mich mit dem Gefühl zurück, dass er mehr über diese geheimnisvolle Adresse wusste, und so rief ich ihm nach.
    »He! Sie da! Warten Sie! Ich habe noch eine Frage!«
    Der Fremde ging unbeeindruckt weiter. Ich rief noch einmal nach ihm, aber mein geheimnisvoller Helfer schien ganz plötzlich mit Taubheit geschlagen zu sein.
    Als ich hinter ihm herlief, begann auch er zu rennen. Er musste Augen im Hinterkopf haben, denn ganz gleich, wie schnell oder wie langsam ich mich bewegte, er passte sich immer meinem Schritt an, obwohl er sich kein einziges Mal nach mir umdrehte.
    Zuerst rannte er immer geradeaus an der Gracht entlang und ich dachte schon, er wolle schnurstracks zum Hafen laufen. Doch mit einem Mal bog er ohne jede Vorwarnung in eine schmale Lücke zwischen zwei Häusern ein.
    Keine fünf Sekunden später erreichte ich die Gasse ebenfalls und schaute hinein.
    Sie war wie leergefegt. Von dem kleinen Mann mit dem Rattengesicht war nichts mehr zu sehen.
    Meine Unachtsamkeit verwünschend, ging ich zweimal zwischen den tür- und fensterlosen Mauern auf und ab, ohne jedoch die geringste Spur von dem Mann zu finden. Schließlich gab ich die Suche auf und machte mich zur St.-Vincentius-Brücke auf, im Stillen auf eine neuerliche, endlose Odyssee durch diese Stadt gefasst. Aber zu meiner größten Verwunderung fand ich sie wenige Schritte hinter der Einmündung der Gasse, in der der rattengesichtige Mann verschwunden war. Und mit einem Mal war ich ganz sicher, dass er nicht zufällig in diese Richtung gelaufen war …
    Ein

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