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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stand ich auf.
    Dabei übersah ich, wie das Boot auf eine niedrige Brücke zufuhr, und knallte mit dem Kopf unsanft gegen die Steine. Als ich wieder mehr als kreisende Sterne vor meinen Augen sehen konnte, fand ich mich in der fauligen Brühe zwischen den Spanten wieder. Heute war wirklich nicht mein Glückstag.
    Spott funkelte aus den Augen des Schiffers, als ich auf die Knie kam und meinen schmerzenden Schädel betastete.
    »Sie hätten mich ja auch warnen können!«, murmelte ich. »Oder ist das zuviel verlangt für fünfundzwanzig Gulden?«
    Nies grinste, sagte ungerührt: »Dreißig« und brachte den Kahn mit ein paar kräftigen Ruderschlägen neben der Brücke zum Halten. Erneut schluckte ich die wütende Antwort, die mir auf den Lippen lag, herunter. Nies hätte ohnehin nur mit »Fünfunddreißig« oder »Vierzig« geantwortet.
    »Dort ist die Van Dengsterstraat«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor und deutete mit dem Daumen nach vorne.
    Ich nickte ärgerlich, streifte den Dreck so gut es ging von meinem Mantel und meiner Hose und stieg ans Ufer.
    Nies wartete stumm, bis ich ihn bezahlt hatte, dann stieß er seinen Kahn ab und legte sich so wild in die Riemen, dass sich die Schäfte bogen. Er ruderte nicht einfach davon, er floh …
    Nachdenklich sah ich mich um. Die Van Dengsterstraat wirkte wie eine Scharte, die ein Riesenschwert in die düsteren Mauern geschlagen hatte: finster und hart, mit scharfen, wie mit wütenden Messerstrichen gezogenen Kanten und Linien. Ich suchte vergebens nach einem Stück blauen Himmels über ihr. Ich war in eine höhlenähnliche Schlucht geraten, in die sich seit Jahrhunderten kein Sonnenstrahl mehr verirrt hatte.
    Von den meisten Häusern war der Verputz abgeblättert. Einige der alten Bruchsteinmauern waren unter ihrem Gewicht zusammengestürzt und nur notdürftig repariert worden und auf der Straße türmte sich der Schutt. Er stank nach menschlichen Ausscheidungen und Fäulnis und an einer Wand lag der halb verfaulte Kadaver eines dürren Hundes.
    Ganz langsam begann ich zu begreifen, warum außer Nies niemand bereit gewesen war, mich hierher zu bringen. Die Straße war nicht nur eine Beleidigung für Auge und Nase, sie schien mir ein wahres Paradies für Straßenräuber zu sein. Ich bedauerte, zu meinem Stockdegen nicht noch einen Revolver mitgenommen zu haben. Doch es war zu spät, sich jetzt noch anders zu besinnen. Also fasste ich meinen Spazierstock fester und trat beherzt auf die erstbeste Tür zu. DeVries hatte mir zwar den Straßennamen, nicht aber die Hausnummer gesagt, bevor er starb. Geschweige denn, wonach ich suchen sollte.
    Nun – sehr viele Bewohner konnte diese Straße kaum haben – sah man von Kakerlaken und Ratten ab.
    Auf mein Klopfen hin hörte ich es drinnen rascheln. Heisere, zischende Stimmen erklangen hinter blinden Scheiben, irgendetwas polterte, dann brüllte jemand zornig und in einer Sprache, die ich nicht verstand. Doch niemand machte mir auf.
    Ich schaute durch ein mit zerrissenem Papier notdürftig abgedecktes Fenster und glaubte noch, eine Bewegung im Hintergrund zu erkennen. Dann war alles still. Verwundert klopfte ich noch einmal und ging dann weiter zur Nachbartür.
    Der Erfolg war der gleiche.
    Mit ständig sinkender Hoffnung wanderte ich die Van Dengsterstraat hinab, im Zickzack, immer von einer Straßenseite zur anderen wechselnd, um nur kein Haus und keine Tür auszulassen. Mein Zorn auf DeVries wuchs. Vielleicht hatte er mich doch belogen; vielleicht hatte er mir diese Adresse sogar absichtlich genannt, damit ich in dieser zweifellos von Dieben und Mordgesindel bewohnten Gegend ums Leben kam und er sich so noch nach seinem Tode an mir rächen konnte. Schließlich erreichte ich ein Haus, das nicht ganz so verfallen und heruntergekommen aussah wie die anderen Ruinen, die die Van Dengsterstraat zierten; was nicht hieß, dass es etwa in gutem Zustand gewesen wäre.
    Es befand sich ganz am Ende der Straße und lehnte ein wenig schräg, als hätte es nicht mehr die Festigkeit, aus eigener Kraft zu stehen, an der graubraunen Ruine des Nachbargebäudes. Es war das letzte Haus der Straße und nachdem ich überall vergeblich geklopft hatte, hatte ich kaum noch Hoffnung, hier Erfolg zu haben.
    Trotzdem – ich musste es versuchen. DeVries hatte die Wahrheit gesagt, ehe er starb. Das, was ich suchte, war hier, in dieser Straße, in irgendeinem der heruntergekommenen Rattennester, die einmal von menschlichen Wesen bewohnte Häuser gewesen

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