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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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waren.
    Nur, dass ich selbst nicht genau wusste, wonach ich eigentlich suchte …
    Mit gemischten Gefühlen stand ich vor einer breiten Freitreppe aus weißem Carrera-Marmor mit vergoldetem Geländer. Über der ersten Stufe wölbte sich ein Torbogen aus zwei Schlangen, deren Schwänze und Köpfe miteinander verflochten waren. Am oberen Ende prunkte eine mit filigranhaften Bronzebeschlägen geschmückte Tür.
    Treppe und Tür gehörten zu einem wuchtigen Patrizierhaus in altertümlich holländischem Stil, das in dieser schäbigen Gegend ebenso verfehlt wirkte wie ein Hilfsmatrose in einem feinen, englischen Club. Früher einmal musste dieses Haus eine prachtvolle Villa gewesen sein; das sah man ihm auch nach den vielen Jahrzehnten noch an. Es schien ein unsichtbares Flair von Zeitlosigkeit und Anmut auszustrahlen; trotz der abblätternden Farbe und der zerborstenen, schräg in den Angeln hängenden Läden, hinter denen grau gewordene Scheiben wie getrübte Augen das Licht der Sonne aufsaugten.
    Ich hatte das Haus erst gesehen, als ich genau davor stand, dessen war ich mir sicher. Dabei war ich jedoch mit Sicherheit in keine Nebengasse der Van Dengsterstraat abgebogen. Und an eine Kurve konnte, ich mich auch nicht erinnern. Verwirrt drehte ich mich um und sah zur Gracht hinab. Die Straße führte wie mit dem Lineal gezogen genau auf die Brücke zu, an der mich Nies abgesetzt hatte.
    Wieder ein Rätsel; keines, das mir diese unheimliche Gegend sympathischer machte. Doch obwohl ich mehr Widerwillen denn je empfand, stieg ich die Treppe empor und betätigte den löwenköpfigen Türklopfer. Vielleicht fand ich hier endlich Leute, die mir einen Hinweis auf das Haus geben konnten, in dem ich das geheime Quartier der Templer vermutete.
    Schon nach wenigen Sekunden waren Schritte zu vernehmen. Die Tür schwang auf und ein livrierter Lakai steckte seinen Kopf heraus. »Womit kann ich dienen, Mijnheer?«, fragte er.
    Ich war über diesen plötzlichen, nach all den Enttäuschungen schon unerwarteten Erfolg derart überrascht, dass ich einen Moment herumstotterte, ehe ich wieder Worte fand.
    »Verzeihen Sie die Störung«, sagte ich. »Ich … ich suche einen Bekannten, der irgendwo in dieser Straße wohnt. Aber ich kann leider sein Haus nicht finden.«
    Ich nannte ihm den Namen des umgekommenen Templers und beschrieb sein Äußeres, so gut ich konnte. Dabei behielt ich ihn genau im Auge. Aber sein blasiertes Gesicht zeigte keine Regung. Entweder hatte er den Namen DeVries wirklich noch nie zuvor in seinem Leben gehört – oder er war der beste Schauspieler, der mir je untergekommen war.
    Der Diener schien einen kurzen Moment zu überlegen, dann bat er mich mit einer Verbeugung, einzutreten. »Bitte, Mijnheer, wenn Sie einen Augenblick im Salon warten wollen. Mein Herr befindet sich zwar im Moment außer Haus, aber ich bin sicher, dass Ihnen die Herrin behilflich sein kann!«
    Der Boden der Empfangshalle war mit wertvollen Teppichen ausgelegt, und die Möbel und Seidentapeten hätten dem Schloss jeden Herzogs zur Zierde gereicht. Doch auch der Duft der Rosen, die in allen möglichen Gefäßen herumstanden, konnten den Geruch nach Moder und Verwesung nicht überdecken, der mir aus jeder Ecke entgegenströmte. Ich kam mir vor wie in einem Museum, in dem man vor zwei oder drei Menschenaltern vergessen hatte, eine Putzfrau einzustellen.
    Der Lakai führte mich in ein holzgetäfeltes Zimmer, von dessen Decke ein schwerer Lüster aus böhmischem Kristall hing. Obwohl sicher mehrere hundert Kerzen in ihm brannten, hatte ich das Gefühl, in eine schwarze Grube gefallen zu sein. Etwas Unsichtbares, Düsteres schien in der Luft zu hängen und die Helligkeit aufzusaugen. Auch das hoch auflodernde Holzfeuer im Kamin vertrieb weder die Dunkelheit noch die Kälte, die meine Knochen schier zu Eis erstarren ließ.
    Ich trat an den Kamin, um die Hände über den Flammen zu reiben, und überlegte bereits, wie ich mich so schnell wie möglich wieder aus diesem unheimlichen Haus entfernen konnte. Es war nicht gut, sich in einem Haus wie diesem lange aufzuhalten. Unwillkürlich musste ich wieder an die sonderbare Reaktion des Kutschfahrers denken. Die Angst, die ich in seinen Augen gelesen hatte …
    Ich hörte die Tür gehen, drehte mich um und sah eine ältliche Matrone in großer Toilette hereinrauschen. Ihr Kleid war wohl das Teuerste an Garderobe, was ich bis zu dem Zeitpunkt gesehen hatte. Es wirkte nur um die vierzig Jahre hinter der Mode

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