Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
kannst, Rowlf.«
Rowlf verstand nun überhaupt nichts mehr. Aber Howard machte keine Anstalten, seine Worte zu erklären, sondern straffte mit einem Seufzer die Schultern, streckte die Hand nach der Türklinke aus und drückte sie übertrieben kräftig herunter.
Kühle, Halbdunkel und der charakteristische Geruch alter Bücher schlugen ihnen entgegen, als sie den kleinen Laden betraten. Der Raum hinter den Scheiben mochte in Wahrheit groß sein, aber er war derart vollgestopft mit Regalen und Tischen, auf denen sich Bücher und Folianten aller nur denkbaren Art und Größe stapelten, dass Rowlf beinahe Platzangst bekam. Eine kleine Glocke über der Tür kündete ihr Kommen an und schon nach Sekunden ertönten aus dem Hintergrund des Raumes schlurfende Schritte. Howard spannte sich. Seine Finger zupften mit kleinen, nervösen Bewegungen am Saum seines Gehrockes.
Die Schritte kamen näher, dann schälte sich ein Schatten aus dem Gewirr von Bücherregalen und -stapeln. Rowlf erkannte einen grauhaarigen, hageren Mann schwer bestimmbaren Alters. Sein Gesicht war zu einem knappen, berufsmäßigen Lächeln verzogen und seine Haut hatte den kränklichen, wächsernen Farbton eines Menschen, der zu selten an frischer Luft und Sonne war.
»Monsieur?«, begann er. »Was kann ich für Sie -«
Der Mann stockte. Das Lächeln auf seinen Zügen erlosch und wurde dann zur Grimasse. Seine Augen flammten auf und Rowlf sah, wie sich seine Hände blitzartig zu Fäusten ballten und dann wieder öffneten.
»Hallo, Gaspard«, sagte Howard leise.
Gaspard schwieg. Sein Gesicht zuckte und in seinen Augen wechselten sich in Sekunden Hass und Unglauben und Schrecken und Verzweiflung ab, so rasch, dass Rowlf nicht zu sagen wusste, welches Gefühl nun die Oberhand behielt.
»Du … du bist tatsächlich gekommen«, sagte er schließlich. »Du hast es wirklich gewagt.« Seine Stimme bebte.
Der Ausdruck von Trauer auf Howards Zügen vertiefte sich. »Du hasst mich noch immer, Gaspard«, sagte er leise. »Ich hatte gehofft, dass -«
Gaspard unterbrach ihn mit einer wütenden Handbewegung. »Hassen?«, schnappte er. »Wie kommst du darauf, Howard? Ich hasse dich nicht. Ich verachte dich. Und ich verfluche den Tag, an dem ich dich kennen gelernt habe. Du bist es nicht wert, dass ich dich hasse.«
Lovecraft fuhr wie unter einem Schlag zusammen. »Es tut mir Leid, Gaspard«, flüsterte er. »Ich hatte gehofft, dass die Zeit die Wunde ein wenig geheilt hat, aber ich sehe, dass du mir nicht vergeben hast.«
»Was willst du?«, schnappte Gaspard. Sein Gesicht war jetzt zur Maske erstarrt und seine Stimme klang kalt und schneidend wie die einer Maschine.
Howard atmete hörbar ein. »Ich brauche deine Hilfe, Gaspard.«
»Meine Hilfe?« Gaspard lachte, aber es klang nicht sehr amüsiert. »Wobei, mein Freund?«, fragte er. »Ich habe nur eine Tochter. Wenn du auf ein Abenteuer aus bist, kann ich dir leider nicht dienen. Aber Paris ist groß.«
Howard krümmte sich wie unter einem Hieb. »Bitte, Gaspard«, sagte er, beinahe flehend. »Ich kann nicht mehr sagen, als dass es mir Leid tut. Und es war niemals ein Abenteuer für mich, das musst du mir glauben. Ich habe es ernst gemeint.«
Gaspard nickte. »Das habe ich auch gedacht, damals. Und Ophelie auch. Bis zu dem Morgen, an dem du verschwunden warst.«
Rowlf blickte verwirrt zwischen Howard und dem grauhaarigen Franzosen hin und her. Ophelie?, dachte er. Er hatte diesen Namen noch niemals gehört.
»Ich hatte keine andere Wahl«, antwortete Howard leise. »Ich musste Paris verlassen. Ich war in Gefahr. Und Ophelie und du wäret es auch gewesen, wenn ich geblieben wäre.«
»Wäre sie auch in Gefahr geraten, wenn du geschrieben hättest?«, fragte Gaspard kalt. »Oder hattest du kein Geld mehr, um das Porto zu bezahlen?«
Howard seufzte. »Ich hatte keine Wahl«, sagte er noch einmal. »Du weißt nicht, was damals geschehen ist.«
»Doch«, sagte Gaspard ruhig. »Du scheinst mich für einen Narren zu halten, Howard. Deine Brüder kamen zu mir, keine Woche, nachdem du Ophelie im Stich gelassen hattest.«
Howard erschrak sichtlich. »Sie waren hier?«, keuchte er. »Haben sie … haben sie Ophelie etwas getan?«
Gaspard schürzte die Lippen, schüttelte den Kopf und starrte Howard mit unverhohlenem Hass an. »Nein«, sagte er. »Sie haben ihr nichts getan. Aber das war kaum dein Verdienst. Was willst du?«, fragte Gaspard noch einmal. »Ophelie ist nicht hier. Sie ist nicht einmal in Paris.«
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