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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Narren. Alles, was ich finden würde, war eine Leiche.
    Trotzdem zögerte ich noch, von den Bahngleisen hinunterzutreten und Eisenzahns Körper zu suchen. Allein der Gedanke an den Anblick, den sein Leichnam bieten musste, drehte mir schier den Magen herum. Aber dann verscheuchte ich auch diese Vorstellung, ging die Böschung hinab und folgte der Spur. Der Boden war fast handtief aufgerissen, wie von einer gewaltigen Egge umgepflügt, Gras und kleinere Büsche glattweg abgeschnitten und selbst ein junger Baum, der fast die Stärke meines Handgelenkes hatte, abgebrochen, als wäre ein Meteor vom Himmel gestürzt. Überall lagen Fetzen von Kleidern, zerborstenes Metall und Dinge, die derart zusammengestaucht und zerstört waren, dass ich ihre ursprüngliche Bestimmung nicht einmal zu erraten wagte. Dann fand ich einen Schuh, der wie von einer Kreissäge halbiert worden war. Schließlich eine ganze Ansammlung kleiner, bis zur Unkenntlichkeit verbeulter Metallgegenstände. Schließlich endete die Spur am Ufer eines schmalen, aber allem Augenschein nach reißenden Flüsschens, das sich parallel zum Bahndamm dahinzog.
    Was ich nicht fand, war Eisenzahn.
    Zwei, drei Mal hintereinander suchte ich den Bahndamm rechts und links der gewaltigen Schleifspur ab, zuerst flüchtig und in aller Hast, dann gründlicher. Aber das Ergebnis war jedes Mal das gleiche: Die Schleifspur endete nach einer Strecke von mehr als dreißig Yards im Uferschlamm des Flusses, aber dort, wo der zerschmetterte Leichnam meines Gegners liegen sollte, war nichts.
    Sekundenlang stand ich wie versteinert da und starrte die Stelle an, an der er hätte liegen müssen. Die logischste Erklärung war, dass ihn die Wucht des Sturzes bis in den Fluss geschleudert hatte, wo ihn die Strömung davontrug; aber irgendetwas sagte mir, dass es nicht so war und ich gut daran tat, mich trotz allem in Acht zu nehmen.
    Direkt vor meinen Füßen schimmerte etwas im Gras. Ich blieb stehen, bückte mich und streckte die Hand nach dem Gegenstand aus, führte die Bewegung dann aber nicht zu Ende. Eine eisige Faust schien sich um mein Herz zu legen und rasch und schmerzhaft zuzudrücken und die Übelkeit in meinem Magen erwachte zu neuer Wut.
    Es war ein Auge.
    Wie eine kleine glitzernde Murmel lag es vor mir im Gras, schimmernd und lidlos und von einem stummen, im Tode erstarrten Vorwurf erfüllt. Ein menschliches Auge.
    Oder zumindest die perfekteste Nachbildung eines menschlichen Auges, die ich jemals zuvor gesehen hatte. Das Einzige, was die Illusion störte, waren die dünnen, glitzernden Drähte, die sich wie abgerissene metallene Adern aus seiner Rückseite hervorkräuselten.
    Einige Sekunden blieb ich weiter reglos stehen, dann ließ ich mich auf die Knie herabsinken, nahm das gläserne Auge behutsam zwischen die Fingerspitzen und hob es hoch. Es war schwer, viel schwerer, als ich geglaubt hatte, und als sich versehentlich zwei der dünnen Drähtchen berührten, gab es einen winzigen blauen Funken. Ein leises Schnarren ertönte aus dem Inneren des Gebildes und die Pupille bewegte sich von links nach rechts und wieder zurück.
    Ich war nicht einmal sonderlich überrascht. Nach allem, was geschehen war, hatte es eigentlich nur diese eine Erklärung geben können.
    Was nicht etwa hieß, dass sie mich beruhigt hätte. Ganz im Gegenteil.
     
    »Es tut mir außerordentlich Leid, Monsieur, aber ich fürchte, es steht nicht in meiner Macht, Ihnen zu helfen.« Das Gesicht des Mannes hinter der durchbrochenen Glasscheibe drückte aufrichtiges Bedauern aus – vor allem wohl in Anbetracht der zusammengefalteten Fünfzig-Franc-Note, die Howard unter dem Schalter hindurchgeschoben hatte; diskret genug, dass keiner der hinter ihm Stehenden etwas davon gemerkt hatte. »Wir sind ausverkauft. Schon seit Wochen. Heute ist Premiere, müssen Sie wissen.«
    »Aber ich bitte Sie, mein Lieber!« Howard seufzte, nahm eine zweite Banknote aus der Westentasche und legte sie neben die erste. »Es wird sich doch eine Möglichkeit finden. Eine einzige Karte.«
    »Ich nehm auchn Stehplatz!«, fügte sein hünenhafter Begleiter hinzu. »Kann meinetwegn auch Rasierloge sein. Ich mach mir sowieso nix aus dem Gesinge.«
    Der freundliche Ausdruck auf dem Gesicht des Kartenverkäufers wurde um mehrere Grade kälter, während Howard mit Mühe ein Grinsen unterdrückte. »Rowlf meint das nicht so«, sagte er hastig. »Aber es wäre wirklich sehr unkommod für uns, nicht zusammen in die Vorstellung gehen

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