Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
nur ein Wort zu sagen. Aber der Ausdruck auf seinen Zügen wandelte sich in dieser Zeit von Unglauben zuerst in Staunen, dann in Schrecken und schließlich Zorn. Schließlich gab er das Auge an Looskamp zurück und wandte sich wieder an mich.
»Woher haben Sie das, Robert?«, fragte er.
Ich sagte es ihm. Balestrano hörte mit unbewegtem Gesicht zu, tauschte einen raschen Blick mit Looskamp und forderte mich dann auf, die ganze Geschichte zu erzählen. Ich tat es, schnell und erregt, aber ohne irgendetwas hinzuzufügen oder wegzulassen. Balestrano wirkte bestürzt, als ich zum Ende gekommen war.
»Bruder de Laurec«, murmelte er. »Es gibt nur einen Mann unter uns, der so etwas erschaffen könnte.« Die Worte waren weniger an mich gerichtet als zu ihm selbst und ich hörte den Schrecken, den er dabei empfand, deutlich aus seiner Stimme heraus.
»Aber das ist unmöglich!«, sagte Looskamp. »Bruder Sarim würde niemals gegen Euren Befehl handeln, Bruder Jean!«
Balestrano schwieg eine ganze Weile. Als er schließlich antwortete, war seine Stimme ganz leise. »Wir werden es herausfinden, Bruder Looskamp«, sagte er. »Auf der Stelle. Kommt.«
Howards Körper schien ein einziger Schmerz zu sein und seine Gedanken weigerten sich, in geordneten Bahnen zu laufen. Das Schwarz-Weiß-Muster des Schachbrettes verzerrte und bog sich immer wieder vor seinem Blick.
»Warum gibst du nicht endlich auf?«, fragte de Laurec. »Du hast keine Chance mehr, Howard. Matt in vier Zügen.«
Howard stöhnte. Er wollte antworten, aber er konnte es nicht mehr. Alles in ihm war Schmerz.
»Wie du willst«, sagte de Laurec, als er nicht antwortete. »Dann bin ich wohl am Zuge, wie es aussieht. Dame A7 schlägt Turm C7.«
Rasselnd und klirrend setzte sich seine Königin in Bewegung, erreichte das Feld, auf dem Howards Turm stand und zerschlug ihn mit einem einzigen Hieb ihrer gewaltigen Metallarme. Das riesige Eisengebilde stürzte polternd in sich zusammen. Irgendwo im Inneren der Konstruktion blitzte es auf; ein faustgroßer feuriger Ball hüpfte auf Howard zu, prallte dicht vor seinen Füßen vom Boden ab und rollte an seinem Bein entlang bis zur Schulter hinauf. Howard brach in die Knie und kämpfte sekundenlang mit verzweifelter Anstrengung gegen die Bewusstlosigkeit.
Seine Lage war aussichtslos. Er hatte gespielt wie nie zuvor in seinem Leben, trotz der Schmerzen und der Verzweiflung, die wie ein Gift in seinen Gedanken tobte, und de Laurecs Figuren regelrecht vom Brett gefegt, bis ihm nur noch der König und die Dame verblieben waren. Trotzdem würde er verlieren, denn der Puppet-Master setzte seine Dame immer rücksichtsloser ein. Während der letzten halben Stunde hatte die weiße Königin Howards Figuren nacheinander geschlagen. Und mit jedem Spielstein, der ausschied, biss ein neuer, quälender Schmerz in seinen Leib. Keine der Wunden war wirklich gefährlich; aber sie alle zusammen würden ihn umbringen, wenn das Spiel noch lange dauerte.
»Sieh endlich ein, dass du keine Wahl mehr hast«, sagte Sarim. »Du hast noch den Springer und einen Turm. Den Turm nehme ich dir beim übernächsten Zug, und damit hast du verloren. Es sei denn, du schlägst meine Königin.« Sarim kicherte. »Aber das wirst du nicht tun, nicht wahr?«
Howard hatte nicht mehr die Kraft zu antworten. Sein Blick suchte die weiße Königin und saugte sich an dem blassen Mädchengesicht hinter dem Stahlvisier fest und in seiner Brust flammte ein neuer, viel tiefer gehender Schmerz auf. Er wusste, dass de Laurec die Wahrheit sprach. Die Dame würde seinen Turm schlagen und nur mit seinem König und einem einzelnen Springer konnte er das Spiel nicht mehr gewinnen.
»Turm A6 auf E6«, murmelte er. »Schach.«
Seine Figur führte den Zug gehorsam aus. Ein dünner Blitz zuckte aus ihrer Vorderseite und traf den weißen König.
De Laurec lachte hämisch und stellte seine Dame zwischen Howards Turm und den bedrohten König.
Das Gewitter war mit voller Kraft losgebrochen, ehe wir die halbe Strecke zu Sarim de Laurecs kleinem Chalet hinter uns gebracht hatten, und es war das schlimmste Gewitter, an das ich mich zu erinnern vermochte. Meine Taschenuhr beharrte darauf, dass es sieben Uhr und somit schon längst Tag war. Aber der Himmel sagte das Gegenteil. Das Firmament hatte sich schwarz verfärbt und spannte sich wie eine gewaltige Kuppel aus geschmolzenem Teer von Horizont zu Horizont, aber der Himmel schien zu brennen. Die Blitze zuckten so rasch
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