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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zwischen den Steinen, glitzerte etwas. Ein Kristall. Der Knauf meines Stockdegens!
    Shadow folgte meinem Blick, bückte sich rasch und nahm den Stock vom Boden auf. Er war unversehrt.
    »Wir müssen hier heraus«, sagte sie und reichte mir die Waffe. »Sie werden bald merken, dass wir noch am Leben sind. Ich kann nicht gegen sie kämpfen. Die Übermacht ist zu groß.« Sie streckte die Arme aus. Ihre Schwingen begannen sich zu entfalten, aber ich wich rasch zwei, drei Schritte zurück, schob den Stockdegen unter meinen Gürtel, und schüttelte entschieden den Kopf.
    »Lady Audley«, sagte ich. »Wir müssen nach Lady Audley sehen.«
    »Sie ist tot, Robert«, sagte Shadow sanft. Seltsam – ihre Stimme klang traurig, aber ich war sicher, auf ihren Zügen nicht die geringste Spur eines echten Gefühles zu erkennen. Ihre Worte waren eine reine Feststellung.
    »Warum … warum hast du sie nicht gerettet«, stammelte ich. »Du hättest es gekonnt. Du kannst fliegen. Du hast mich auch -« Ich brach ab, als ich begriff, dass ich Unsinn redete. Es war einfach zu schnell gegangen. Für mich waren während des Sturzes tausend Ewigkeiten vergangen, aber in Wirklichkeit konnten es nicht mehr als fünf, sechs Sekunden gewesen sein. Vermutlich war es schon ein Wunder, dass sie mich hatte auffangen können.
    »Es ging zu schnell«, sagte Shadow. »Ich hatte die Wahl, einen von euch zu retten. Nur einen.«
    »Dann hättest du sie nehmen sollen!«, sagte ich.
    Shadow lächelte traurig. »Das Gleiche hätte sie vermutlich über dich gesagt, hätte ich sie fragen können. Und du warst näher«, erklärte sie. »Die Spanne deines Lebens ist zudem noch sehr viel länger. Würdest du den großen Teil opfern, um den kleinen zu retten?«
    Ein Schlag ins Gesicht hätte mich kaum härter treffen können. Ich starrte sie an, öffnete den Mund, brachte aber nur einen keuchenden Laut heraus. Es war so … so unmenschlich. So kalt. Plötzlich kam mir ihre gläserne Schönheit voll zu Bewusstsein, die sterile Farbe ihrer Erscheinung.
    Eis.
    Das war alles, woran ich denken konnte. Sie war schön, unendlich schön, aber es war die Schönheit einer Statue, aus stahlhartem Eis geformt. Nichts in ihr lebte.
    »Ich muss zu ihr«, stammelte ich. Shadow wollte nach mir greifen, aber ich schlug ihre Hand beiseite, fuhr herum und rannte im Zickzack zwischen den Felsnadeln auf die Stelle zu, an der Lady Audley aufgeschlagen war.
    Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte – einen zermalmten Körper, Blut, zersplitterte Knochen – aber ich war fast erleichtert, sie zu sehen.
    Sie lag mit dem Gesicht nach unten neben einem gut dreifach mannshohen Felspfeiler. Es sah aus, als schliefe sie nur.
    »Robert!«, rief Shadow hinter mir her. »Komm zurück. Wir sind in Gefahr! Du kannst ihr nicht mehr helfen!«
    Ich ignorierte sie, überwand die letzten Meter mit zwei, drei hastigen Schritten und kniete neben ihr nieder. Meine Hände zitterten, als ich sie vorsichtig auf den Rücken drehte und warmes, klebriges Blut unter den Fingern fühlte.
    Lady Audley stieß einen leisen, wimmernden Laut aus und öffnete die Augen.
    Sie lebte!
    »Shadow!«, schrie ich. »Komm her. Sie lebt!«
    Behutsam ließ ich Lady Audleys Oberkörper zurücksinken, zog nach kurzem Zögern die Jacke aus und knüllte sie zu einem Ball zusammen, den ich unter ihren Nacken schob. Lady Audleys Augen standen weit offen, aber sie waren trüb; sie sah mich nicht. Ein leises, qualvolles Wimmern kam über ihre aufgesprungenen Lippen, als ich ihren Arm berührte.
    Shadow langte neben mir an, kniete ebenfalls nieder und blickte ungläubig auf Lady Audleys blutüberströmtes Gesicht herunter. »Wie ist das möglich?«, fragte sie fassungslos. »Kein Mensch kann diesen Sturz überleben!«
    Ich sah auf. Dunkles Blut glitzerte in breiten, schmierigen Streifen auf der schräg abfallenden Flanke der Felsnadel, an deren Fuß Lady Audley lag. Sie musste schräg auf den Felsen geprallt und wie auf einer steinernen Rutsche daran herabgeglitten sein; das hatte die größte Wucht ihres Sturzes gebrochen.
    Ich beugte mich vor, riss einen Fetzen aus meinem Hemdsärmel und versuchte, das Blut aus ihrem Gesicht zu wischen. Sie war nicht einmal sehr stark verletzt: Eine breite Platzwunde verunzierte ihre Stirn und wie alle Kopfverletzungen hatte sie über die Maßen geblutet, aber ihr Schädel schien, soweit meine unkundigen Finger dies ertasten konnten, zumindest nicht verletzt zu sein.
    »Wir müssen fort, Robert«,

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