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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte. »Welchen Steuerkristall?«
    Wieder deutete Shadow nach oben. Diesmal war der Ausdruck auf ihren Zügen eindeutig Sorge. »Sein … Gehirn«, sagte sie stockend. »Es ist das falsche Wort, aber es kommt der wahren Bedeutung am nächsten. Es befindet sich unter der Spitze des Obelisken. Alles, was du tun musst, ist hinaufzuklettern und es mit der Hand zu berühren. Alles andere mache ich.«
    Ihre Worte erinnerten mich auf unangenehme Weise an etwas, das ich vor nicht einmal allzu langer Zeit mit einem größenwahnsinnigen Magier erlebt hatte, im Herzen des gewaltigen menschenverschlingenden Labyrinths von Amsterdam.
    Ich verscheuchte den Gedanken.
    »Es ist nicht so schwer, hinaufzukommen, wie es aussieht«, sagte Shadow.
    Ich schenkte ihr einen bösen Blick, knurrte: »Für jemanden, der fliegen kann, sicher nicht«, und machte mich auf den Weg. Aber Shadow hielt mich noch einmal zurück.
    »Warte«, sagte sie. »Du musst dich beeilen. Und noch etwas.« Sie zögerte, lächelte nervös und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Irgendwie ließ sie diese Geste plötzlich sehr viel menschlicher erscheinen.
    »Der Wächter«, sagte sie.
    »Wächter?« Das Wort gefiel mir nicht.
    »Es ist das falsche Wort«, sagte sie zum wiederholten Mal, »aber … du musst vorsichtig sein. Es ist verboten, sich dem Obelisken zu nähern. Er wird sich wehren.«
    Ihre Worte ließen mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Sie sprach von diesem schwarzen Monstrum, als lebe es.
    »Du läufst zu seinem Fuß und steigst hinauf«, fuhr sie fort, leise, aber mit einem so großen Ernst in der Stimme, dass ich es nicht wagte, sie zu unterbrechen. »Lauf weiter, Robert. Ganz egal, was du zu sehen oder zu hören glaubst, lauf weiter. Du darfst an nichts anderes denken und nicht stehen bleiben. Ich werde dich schützen, so gut ich kann. Und jetzt geh. Sie kommen bereits näher.«
    Ich fragte mich lieber nicht, wen sie mit diesen sie meinen mochte, sondern machte auf dem Absatz kehrt, sammelte noch einmal Kraft – und rannte los.
    Geradewegs ins Nichts hinein.
    Denn dort, wo vor einer Sekunde noch massiver Fels gewesen war, klaffte jetzt ein Meilen tiefer Abgrund.
     
    Obwohl die Höhle sehr groß war, schien sie im Moment vor Menschen aus den Nähten zu platzen.
    Howard schätzte, dass sich in der bizarr geformten unterirdischen Kuppel an die zweihundert Menschen aufhalten mussten; Männer, Frauen und, zu seinem großen Entsetzen, sogar ein paar Kinder. Sie hatten sich, einen fünf-, sechsfach gestaffelten, dichten Kreis aus Leibern bildend, um einen freien Fleck in der Mitte des Raumes versammelt und standen wie in Trance da – mit geschlossenen Augen, leicht erhobenen, gespreizten Händen, einen gleichzeitig konzentrierten wie entspannten Ausdruck auf den Zügen.
    Wie auf ein geheimes Kommando hin begannen sie sich an den Händen zu ergreifen, wobei sich die Kreisformation in eine eng gewundene Spirale verwandelte, bis sich die letzten Hände ineinander verflochten hatten. Dann begannen sie sich hin und her zu wiegen.
    Die Bewegung war erst kaum wahrnehmbar, nur eine sanfte, rhythmische Welle, die von einem Ende der Spirale zum anderen lief. Sie wurde schneller, gleichzeitig heftiger, bis der gewaltige Kreis aus Leibern zuckte und bebte wie ein riesiges, sich in Krämpfen windendes Tier. Dann begann das Singen.
    Zuerst war es nur ein Ton, ein dunkles, irgendwie Angst machendes Summen und Dröhnen, das die Luft selbst zum Schwingen zu bringen schien und ein unangenehmes Kribbeln in Howards Magen auslöste. Das Geräusch schwoll an, sank wieder herab und schwoll abermals an, immer und immer und immer wieder, bis aus dem Dröhnen ein Laut wurde, eine Silbe, fremdartig und doch auf schauderhafte Weise bedrohlich.
    »Thuuuuuuul«, summte die Menge. »Thuuuuuuul.« Immer und immer wieder, stets unterbrochen von Sekunden, in denen ein tödliches Schweigen herrschte, und dann stets lauter als beim vorhergehenden Mal.
    Howard bewegte sich unter dem Griff der stahlharten Rattenfäuste, so gut er konnte. Cohen und er waren getrennt worden, aber seine Bewacher hatten ihn nicht zurück in die improvisierte Gefängniszelle gebracht, wie er halbwegs erwartet hatte, sondern hierher, in diese Halle, die tief unter den Schächten und Stollen liegen musste, in denen sie angegriffen worden waren. Howard hatte versucht, sich ein Bild vom wirklichen Ausmaß dieser unterirdischen Anlage zu machen, aber seine Phantasie kapitulierte vor den

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