Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
Dinge, die älter sind als unser Volk, Robert. Keine Macht dieser Welt kann sie zerstören.«
»Was bedeuten sie?«, fragte ich. »Welche Macht geben sie Necron, Shannon? Wird er die Welt beherrschen, wenn er ihrer habhaft geworden ist? Ist es das, was du willst? Dass dieses Ungeheuer in Menschengestalt noch mehr Leid und Tod verbreiten kann?«
Shannon lächelte abermals. »Du verstehst nichts, Robert«, sagte er. »Necron ist ein Narr, der untergehen wird, sobald er die SIEGEL erbrochen hat. Nicht mehr als ein Werkzeug, genau wie du und ich. Es sind die wahren Herren, die hinter den SIEGELN warten.«
»Die GROSSEN ALTEN.«
»Sie haben viele Namen«, antwortete Shannon. »Keiner von ihnen ist richtig und keiner falsch. Auch ich weiß nicht viel über die wahre Bedeutung der SIEGEL. Ich glaube, selbst Necron kennt nur einen kleinen Teil des Geheimnisses, doch auch er weiß schon mehr, als für einen sterblichen Menschen gut wäre.« Er stockte, sah mich einen Herzschlag lang an und lächelte abermals auf diese sonderbar traurige Art. »Ich muss jetzt gehen, Robert. Und auch du solltest gehen, wenn du dieses Schiff noch lebend verlassen willst. Denke daran – wenn das SIEGEL nicht mehr hier ist, gibt es nichts mehr, was die DAGON noch schützt.«
»Warte noch!«, sagte ich, als sich Shannon umwenden und fortgehen wollte. Er blieb stehen und sah mich an.
»Ja?«
»Sehen wir uns wieder?«, fragte ich.
Shannon schüttelte den Kopf. »Nein. Den Ort, zu dem ich gehe, hat noch kein Mensch lebend verlassen, der nicht unter Necrons Schutz stand. Versuche nicht, mir zu folgen. Es wäre dein Untergang.« Und damit wandte er sich endgültig um und ging und nach einer Weile drehte auch ich mich herum und machte mich auf den Weg nach unten, wo das Tor auf mich wartete.
Und ein Wesen, das in den Körper Kapitän Bannermanns geschlüpft war und mich vielleicht töten würde.
Der Raum war leer. Das Flammen und Lodern des Pentagrammes war auf ein sanftes, kaum noch wahrnehmbares Glühen herabgesunken und von den zweihundert Männern und Frauen, die noch vor Stundenfrist eine schier endlose Kette davor gebildet hatten, war nicht mehr die geringste Spur zu sehen. Selbst die toten Drachenkrieger und die Kadaver von Dagons Kreaturen waren verschwunden.
Dafür war ES da.
Es war nicht mehr Bannermann, aber es glich auch nicht mehr dem hornköpfigen Dämon, als der es mir einmal gegenübergetreten war und in dessen Gestalt es die beiden Drachenkrieger getötet hatte, sondern offenbarte sich mir als gigantische, krakenköpfige Scheußlichkeit, ein Ding, drei Meter groß und schwammig wie eine grässliche Ausgeburt eines Fiebertraumes, beinahe formlos, übel riechend wie Aas und mit gelben, böse starrenden Augen ohne sichtbare Pupille oder Iris. Und irgendetwas sagte mir, dass dies seine wahre Gestalt war.
»Du Narr«, sagte es. Die Stimme war leise, schneidend wie geschliffener Stahl und erscholl direkt in meinen Gedanken. »Du hast mich betrogen, Robert Craven.«
»Ich musste es«, antwortete ich. Meine Stimme versagte mir fast den Dienst. Es fiel mir unglaublich schwer, die gigantische Scheußlichkeit anzublicken.
»Du musstest es? Warum?« Die lautlose Stimme klang zornig. »Ich stehe auf deiner Seite, Robert Craven. Ich kämpfe gegen dieselben, gegen die auch du kämpfst. Ich bin dein Freund!«
»Das bist du nicht«, antwortete ich, so fest ich konnte. »Du hast nie verstanden, was dieses Wort bedeutet. Du bist ein Feind meiner Feinde, aber das macht dich nicht zu meinem Freund. Du kämpfst einen Kampf, der nicht unser Kampf ist, und du kämpfst ihn auf unserer Welt.«
»Du verdammter Narr!«, sagte das Ungeheuer. »Du weißt ja nicht, was du getan hast. Du hast Necron das erste der SIEBEN SIEGEL DER MACHT ausgehändigt. Warum?«
»Weil ich Shannon mein Wort gegeben hatte«, antwortete ich. »Hast du es vergessen? Keine Toten mehr. Das Leben der Männer und Frauen an Bord der DAGON gegen das SIEGEL.«
»Dein Wort!«, keuchte der Unheimliche. »Du verschenkst das SIEGEL um deines Wortes wegen? Das verstehe ich nicht.«
»Vielleicht kannst du das auch nicht«, antwortete ich. »Möglicherweise ist das der Unterschied zwischen uns und euch.«
Das Wesen antwortete nicht, aber seine zahllosen dünnen Arme begannen erregt zu peitschen. Eine wogende, einzeln nicht zu erkennende Bewegung lief durch seinen aufgedunsenen Leib.
»Ich sollte dich töten«, sagte es.
»Warum tust du es nicht?«
Die gelben Höllenaugen
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