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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Eldekerk hatte genug gesehen. Er wusste jetzt, dass er sich nicht getäuscht hatte. Morgen, wenn der Mond aufging, würden sie die Küste erreichen.
    Und er, Jop Eldekerk, würde dort unten sein, um auf sie zu warten.
     
    Das Schiff war nicht besonders groß – ein Zweimastsegler von kaum hundertfünfzig Fuß Länge mit schmuddeliger Takelage, einem Rumpf, der unter dem Gewicht der Algen und Muscheln, die sich im Laufe der Jahre daran geklammert hatten, schier zu zerbrechen drohte, und einer Besatzung, die geradewegs aus einem Buch über die Piraten des siebzehnten Jahrhunderts entsprungen zu sein schien.
    Und trotzdem war es für mich der schönste Anblick, den ich jemals gehabt hatte.
    Aber vermutlich wäre es jedem an meiner Stelle so ergangen, wenn er sich unversehens fünfundzwanzig Yards unter der Wasseroberfläche wiedergefunden, mit letzter Kraft nach oben gestrampelt und – nachdem er wieder zu Atem gekommen war – festgestellt hätte, dass er sich mitten im freien Ozean befand, außer Sichtweite des nächsten Landes und nur in der Gesellschaft eines Dutzends ausgehungerter Haie.
    Was die Haie anging, hatte ich Glück gehabt – die Tiere verspürten entweder keinen Appetit auffrischen Engländer, oder sie waren hinter einer anderen Beute hergewesen, denn sie verschwanden nach wenigen Augenblicken und tauchten auch nicht wieder auf. Aber damit hatte meine Glückssträhne auch ziemlich abrupt geendet.
    Wie viele Stunden ich in dem eisigen Salzwasser geschwommen war, wusste ich nicht, aber es mussten viele gewesen sein, denn als ich aufgetaucht war, hatte die Sonne nahezu im Zenit gestanden, und als ich das Segel der Van Helsing wie einen weißen Eisberg am östlichen Horizont auftauchen sah, neigte sich der Tag bereits seinem Ende entgegen.
    Ebenso wenig, wie ich wusste, woher ich den Willen genommen hatte, mich immer wieder über Wasser zu halten, wenn meine Kräfte zu erlahmen drohten. Vielleicht war es auch nur Trotz gewesen – und wohl auch ein Gutteil Zorn. Nachdem ich meinen ersten Schrecken und das darauf folgende Entsetzen überwunden hatte, hatte ich eine Wut verspürt, wie selten zuvor in meinem Leben. Was hatte mein geheimnisvoller Mitkämpfer gesagt, ehe er mich von Bord der dem Untergang geweihten DAGON rettete? Du hast mich betrogen und wenn ich auch deine Gründe verstehe, so bin ich doch kein Gott, der vergibt. Wenn wir uns wiedersehen, werden wir Feinde sein.
    Nun – was den zweiten Teil seiner Prophezeiung anging, wusste ich jetzt, dass er Recht hatte. Jemanden dergestalt von Bord eines sinkenden Schiffes zu retten, indem man ihn mutterseelenallein mitten in den Pazifischen oder sonst einen Ozean schmeißt, ist eine höchst sonderbare Art der Lebensrettung. Wäre die Van Helsing nicht wie ein rettender Engel erschienen, wäre ich jämmerlich ersoffen.
    Aber selbst jetzt fühlte ich mich mehr tot als lebendig. Ein einäugiger Matrose hatte mich aus dem Wasser gefischt (alles andere als sanft, aber bei seinem Aussehen war ich ja schon froh, dass er keinen Enterhaken dazu benutzt hatte), während ein Dutzend kaum weniger abenteuerlich aussehender Typen an der Reling gestanden und mich angegafft hatten, als hätten sie noch niemals einen Ertrinkenden gesehen.
    Dann hatte man mich in eine winzige Kabine verfrachtet, mir die Kleider vom Leibe gerissen und mich in eine stinkende Decke gewickelt. Anschließend hatte mir jemand, den ich anhand seiner vor Fett triefenden Kleider und seiner schmuddeligen Finger als Smutje einstufte, einen Becher mit einer nicht näher definierbaren Flüssigkeit gebracht, die heiß wie die Hölle war und außer meinen Geschmacksnerven auch die mörderische Kälte abtötete, die sich in meinen Gliedern eingenistet hatte.
    Jetzt befand ich mich in der Kapitänskajüte – beziehungsweise dem möblierten Schweinestall, der sich an Bord der Van Helsing so schimpfte –, hockte auf einem dreibeinigen Schemel und vertrieb mir die Wartezeit auf den Kapitän dieses Seelenverkäufers damit, mich ganz meiner Seekrankheit hinzugeben. Wenn ich an früherer Stelle einmal behauptet habe, dass ich Schiffe und überhaupt alles was schwimmt, nicht mag, so nehme ich das hiermit zurück.
    Ich hasse sie.
    Mit jeder Faser meiner Seele.
    Das dumpfe Zuschlagen der Tür steigerte den wummernden Schmerz in meinem Hinterkopf noch ein wenig und dann stiefelte ein Männchen um mich herum, das so ziemlich das perfekteste Gegenteil dessen darstellte, was ich mir unter dem Kapitän der Van

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