Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
ist.« Grinsend knüllte er seine Jacke zusammen, warf sie in eine Ecke und kam mit wiegenden Schritten näher.
Ich wich zurück, so weit ich konnte, aber schon nach wenigen Schritten hatte er mich in die Ecke gedrängt. Ich hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was er tun würde, sollte ich versuchen, an ihm vorbeizuschlüpfen.
»Sie werden sehen, dass ich euer britisches Fairplay schätze, Craven«, sagte er grinsend. »Ich bin kein Unmensch, wissen Sie? Ich überlasse Ihnen sogar den ersten Schlag.« Er näherte sich mir bis auf zwei Schritte, stemmte die Fäuste in die Hüften und hob den Kopf, wie um mir sein Kinn zu präsentieren. Es war ein beeindruckender Anblick. Wenn einen ein Kinn von den Dimensionen – und zweifellos auch der Festigkeit – eines Ambosses beeindruckt.
»Danke«, sagte ich gepresst. »Ich verzichte.«
Roosfeld zuckte mit den Achseln. »Wie Sie wollen, Craven«, sagte er. »Ich habe nur fair sein wollen. Aber so –«
Der Schlag kam so schnell, dass ich ihn kaum sah, obwohl ich damit gerechnet hatte. Im letzten Moment wich ich Roosfelds Faust aus, riss die Arme in die Höhe und fing den Hieb mit den Handballen ab. Es war ein Gefühl, als hätte ich einen Dampfhammer mit bloßen Händen aufzuhalten versucht. Ich taumelte, fiel haltlos gegen die Wand und steppte im letzten Moment zur Seite, als Roosfeld mit einem gemeinen Kniestoß nachsetzte.
Sein Knie kollidierte, von den ganzen mehr als zwei Zentnern seines Körpergewichts getrieben, mit der Wand. Roosfeld keuchte – allerdings wohl mehr vor Wut als vor Schmerz – fuhr mit einem ärgerlichen Zischen herum und schlug mit der flachen Hand nach mir.
Ich fing seinen Arm auf, knickte in den Hüften ein und drehte mich gleichzeitig halb um meine Achse. Roosfeld wurde von seinem eigenen Schwung von den Füßen gerissen, kugelte über meinen plötzlich gekrümmten Rücken und landete unsanft auf dem Boden.
Aber nur, um sofort wieder aufzuspringen. In seinen Augen stand eine Mischung aus Staunen und langsam aufkeimender Wut. »So ist das also«, sagte er. »Unser kleiner Spion ist ein ganz schlauer, wie? Wenn du die harte Tour bevorzugst, Craven – das kannst du haben!«
Ich duckte mich, hob die linke Hand schützend vor den Leib und ließ die andere langsam vor meinem Gesicht kreisen. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Roosfeld war ein Gegner, der nicht zu unterschätzen war. Ich hatte ihn überrascht mit einer Gegenwehr – und vor allem einer Art der Gegenwehr – die er nicht erwartet hatte. Jetzt war er gewarnt. Und wenn er mich zu fassen bekam, war es um mich geschehen.
»Seien sie vernünftig, Roosfeld«, sagte ich. »Niemandem ist gedient, wenn einer von uns ernsthaft verletzt wird.«
Roosfeld reagierte ganz genau so, wie ich erwartet hatte – er griff mich an. Aber niemand sollte hinterher sagen, dass ich ihn nicht gewarnt hätte.
Wie ein zorniger Bulle stürmte er heran. Ich hatte das Gefühl, den Boden unter seinen Schritten beben zu spüren.
Ich tat so, als wolle ich ihm ausweichen, sprang plötzlich auf ihn zu und ließ mich rücklings zu Boden fallen. Mein linkes Bein vollführte eine halbkreisförmige, blitzschnelle Bewegung und traf seine Kniekehle. Roosfeld fiel, wälzte sich herum – und verlieh dem Tritt, den ich auf sein Kinn gezielt hatte, so noch mehr Wucht.
Trotzdem kamen wir beinahe gleichzeitig auf die Füße.
Roosfelds Geicht hatte alle Farbe verloren. Seine linke Augenbraue war aufgeplatzt. Blut lief über sein Gesicht. »Du Schwein!«, keuchte er. »Du verdammter englischer Bastard!«
»Hören sie endlich auf!«, sagte ich schwer atmend. Ich begann die Anstrengung des kurzen Kampfes bereits zu spüren. Mein Puls raste. Ich würde nur noch Augenblicke durchhalten. »Hören Sie auf, Roosfeld!«, sagte ich noch einmal. »Oder Sie zwingen mich, Sie ernsthaft zu verletzen. Sie … Sie sind kein Gegner für mich. Ich kann es mir nicht leisten, Sie zu schonen.«
Roosfeld kreischte vor Wut, warf sich nach vorne und stolperte über mein blitzschnell vorgestrecktes Bein. Aber seine Hand umklammerte mein Gelenk und riss mich ebenfalls von den Füßen. Ich fiel, sah Roosfeld auf mich herabstürzen und rollte mich blindlings zur Seite. Roosfeld verfehlte mich, aber seine Faust traf meine Rippen und trieb mir die Luft aus den Lungen.
Der Schmerz brachte mich an den Rand der Bewusstlosigkeit. Mit einer Bewegung, die nur noch von meinen Reflexen und nicht mehr von bewusstem Denken
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