Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
dunkel gewordenen Kupfers. Sein Gesicht wies einen stark asiatischen Einschlag auf, aber seine Lippen waren wulstig wie die eines afrikanischen Negers. Wie die anderen Majunde war er nackt, sah man von seinem barbarischen Halsschmuck und der bunten Feder ab, die er sich durch das linke Ohr gestochen hatte. Und er sprach beinahe besser Englisch als ich.
»Wer ist er?«, fragte Yo Mai, während er mit der Hand auf mich deutete.
»Ein Freund«, sagte Shannon hastig. »Wir sind gekommen, um –«
»Ich weiß, weshalb Sie hier sind«, unterbrach ihn Yo Mai. »Eldekerk hat es uns gesagt. Wir werden darüber reden, doch nicht hier. Gebt eure Waffen.«
Er streckte befehlend die Hand aus. Vorsichtig zog ich das Buschmesser aus dem Gürtel und reichte es ihm, während Shannon, der wie üblich genug Mordinstrumente mit sich herumschleppte, um eine kleine Armee auszurüsten, seine Waffensammlung an einen der anderen Majunde aushändigte. Yo Mai drehte mein Messer ein paar Mal in den Händen, schürzte verächtlich die Lippen und schleuderte die Waffe achtlos in den Busch.
»Gehen wir«, sagte er.
Es war sehr still geworden in der Höhle. Das Zischen und Brodeln des verflüssigten Steines klang gedämpft und gleichzeitig hatte sich etwas körperloses Drohendes, Finsteres über die gewaltige Halle tief unter dem flammengekrönten Haupt des Krakatau ausgebreitet.
Dagons Blick hing wie gebannt an der faustgroßen Kugel aus wasserklarem Kristall, die unmittelbar vor ihm lag. Das Gebilde schwebte eine Hand breit über einem mächtigen, mit verwirrenden Linien und Symbolen bedeckten Block aus schwarzem Basalt und manchmal glaubte Dagon ein rasches Huschen und Wogen wie von Nebeln oder kleinen, faserigen Gebilden in ihrem Inneren zu gewahren, das jedoch immer wieder verschwand, ehe er es wirklich erkennen konnte.
Der Anblick machte ihm Angst.
Nicht nur diese Kugel oder der schwarze Altarstein erfüllten ihn mit Furcht, sondern dieser ganze Raum, das Herz des Vulkanes, zwei Meilen unter seinem Gipfel und hunderte von Yards unter dem Meeresspiegel gelegen. Er gehörte nicht mehr ganz zu dieser Welt, das spürte er, aber auch noch nicht zu der anderen, aus der seine Schöpfer stammten.
Es war das zweite Mal, seit er hierher gekommen war, dass er diesen Raum betrat, und wie beim ersten Mal erschütterte ihn der Anblick bis in die tiefsten Gründe seiner Seele.
Die Halle war riesig, eine Kuppel aus schwarzer Lava, deren Zenit sich gute hundert Meter über seinem Kopf spannte, und wie der größte Teil des gewaltigen Labyrinthes, das den Krakatau durchzog, war sie vom blutigen roten Licht der Lava erfüllt; Licht und Hitze, die aus zahllosen Rissen und Klüften im Boden oder den Wänden drängen. In ihrem hinteren Drittel, direkt unter dem einzigen Eingang, sodass jeder Sterbliche, der es wagen sollte, hierher zu kommen, unweigerlich hineinstürzen und elendiglich verbrennen musste, war der Boden geschmolzen und zu einem brodelnden Teich geworden und von ihrer Südwand rieselte ein brennender Wasserfall aus Lava.
Die gegenüberliegende Wand bestand aus Wasser.
Der Anblick erschreckte ihn jetzt so wie beim ersten Mal. Wo massiver Fels sein sollte, erhob sich eine spiegelnde Wand aus schwarzem Wasser, erstarrt zur Festigkeit von Eis oder Stahl. Dagon hatte versucht, ihr Geheimnis mit Hilfe seiner magischen Kräfte zu erkunden, aber es war ihm nicht gelungen. Der Zauber, der das Meer davon abhielt, ins Innere des Krakatau zu stürzen, war zu stark.
Aber er wusste, dass es die Kugel war, sie und der Block aus Licht schluckendem schwarzem Basalt, die den magischen Bann aufrecht erhielten. Das SIEGEL …
Dagon atmete hörbar ein und erhob sich aus der knienden, demütigen Haltung, in der er die letzte halbe Stunde vor dem Altar und dem SIEGEL gehockt hatte. Angst und Ratlosigkeit hatten ihn hier herunter getrieben, sie und die verzweifelte Hoffnung, eine Antwort auf die drängenden Fragen zu finden, die ihn quälten. Aber das SIEGEL hatte geschwiegen und seine Furcht war eher noch schlimmer geworden.
Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Bald würde die Mitternacht herankommen und mit ihr die Boten der Mächtigen. Die Ssaddit würden hungrig sein, hungriger denn je, und wenn er nichts hatte, ihre Gier zu stillen …
Dagon schauderte. Gleichzeitig verspürte er eine heiße Woge mörderischer, hilfloser Wut, als er an Tergard dachte. Er hatte geahnt, dass dieser Mann ihn betrügen würde, früher oder später, und war darauf
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