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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Reinlichkeit. Verglichen mit dem Majunde-Dorf war Eldekerks Haus unten in der Stadt schlichtweg ein Saustall. Von der Van Helsing gar nicht erst zu reden.
    Und auch die Majunde selbst kamen mir auf sonderbare Weise – obgleich behangen – zivilisiert vor. Ihre Gesichter waren voller Misstrauen und in so manchem Blick, der Shannon und mich traf, las ich einen tiefen, in endlosen Jahren der Feindschaft gewachsenen Groll; aber nirgendwo Falschheit.
    »Gefällt große Massa, was weiße Massa sehen?«, fragte Yo Mai plötzlich.
    Ich wandte den Blick und sah ihn einen Moment an, bis ich begriff, was sein absichtliches Radebrechen bedeutete. Ein heftiger Ärger ergriff von mir Besitz.
    »Ihr Zynismus ist fehl am Platze, mein Freund«, sagte ich. »Ich gestehe, dass ich überrascht bin. Angenehm überrascht.«
    Yo Mai lächelte entschuldigend. »Verzeihen Sie, Mister Craven. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    »Das haben Sie aber«, sagte ich patzig.
    Ich sah, wie er unter meinen Worten zusammenfuhr, und sie taten mir fast im gleichen Moment wieder Leid. »Ich bin ein wenig gereizt«, sagte ich erklärend. »Es macht mich nervös, wenn jemand mit einem Bogen auf mich zielt.«
    Yo Mai nickte. »Das kann ich verstehen«, sagte er. »Mir geht es ähnlich. Bei Gewehren.«
    »Sie haben schlechte Erfahrungen mit Weißen gemacht«, vermute ich.
    Yo Mai schnaubte. »Schlechte Erfahrungen? Ich habe fünf Jahre unter Ihresgleichen gelebt, Mister Craven. Ich brauche keine Erfahrungen mehr zu machen.«
    So, wie er das Wort Erfahrungen aussprach, klang es nach einer Obszönität, aber wir hatten mittlerweile das Zentrum des Platzes und das flackernde Lagerfeuer erreicht, sodass ich der unangenehmen Pflicht enthoben war, ihn zu fragen, wie er seine Worte gemeint hatte. Yo Mai hob die Hand, um uns zu bedeuten, dass wir stehen zu bleiben hatten, umrundete das Feuer und verschwand in einer Hütte. Wenige Augenblicke später kam er zurück, begleitet von dem mit Abstand ältesten Menschen, dem ich jemals begegnet war.
    Der Majunde musste weit über hundert Jahre alt sein. Seine Schultern waren gebeugt, als schleppe er eine unsichtbare Zentnerlast mit sich, und sein Gesicht glich einer verwirrenden Landschaft aus Falten und Runzeln, in die ein Paar kleiner, vom Alter trübe gewordener Augen eingebettet waren. Er hatte nicht mehr die Kraft, allein zu gehen; ein Mann, der ihn begleitete, musste ihn stützen. Plötzlich begriff ich, warum Yo Mai uns befohlen hatte, diesen Alten respektvoll zu behandeln.
    Mühsam umrundete er das Feuer, blieb auf Armeslänge vor Shannon und mir stehen und sah uns beide nacheinander und sehr ausgiebig an. Es war schwer, auf seinem faltenzerfurchten Gesicht irgendeine Regung abzulesen, aber als ich ihn von Nahem sah, korrigierte ich meine Schätzung sein Alter betreffend noch einmal um einige Jahre. Nach oben.
    Schließlich begann er zu sprechen. Seine Stimme war so dünn, dass sie fast im Prasseln des Feuers unterging, und ich sah an der Reaktion auf Shannons Gesicht, dass er einen Dialekt sprach, von dem er keinen Ton verstand. Gottlob war Yo Mai da, der seine Worte übersetzte, kaum dass er geendet hatte.
    »Ihr seid die weißen Teufel, die uns um Hilfe bitten«, sagte der junge Majunde. »Ich biete Euch Gastfreundschaft für die Dauer dieses Gespräches und meinen Schutz. Sprecht, und sprecht schnell, denn unsere Geduld ist fast so kurz wie die eure.«
    Die Formulierung gefiel mir nicht besonders, aber ich war klug genug, den Mund zu halten und Shannon reden zu lassen.
    »Sage deinem Ältesten«, wandte er sich an Yo Mai, »dass wir ihm für seinen Schutz und seine Gastfreundschaft danken. Und dass wir nicht hier sind, um eure Hilfe zu erbitten, sondern um euch vor einer großen Gefahr zu warnen, die uns allen droht, gleich ob weißen Männern oder dem tapferen Volk der Majunde.«
    Yo Mai stutzte, übersetzte aber gehorsam Shannons Worte. Der Alte hörte mit unbewegtem Gesicht zu und schwieg länger als fünf Minuten, ehe er antwortete.
    Yo Mai übersetzte: »Wir fürchten keine Gefahr, weißer Mann, denn unsere Götter schützen uns.«
    Der Alte hob den Arm und deutete mit einer von der Gicht verkrümmten Hand zum Krater des Krakatau hinauf, der anderthalb Meilen über dem Eingeborenendorf Flammen gegen den Himmel spie. »Der große Gott Krakatau hält seine Hand über seine Kinder, wie er es seit Anbeginn der Welt getan hat. Wir vertrauen auf ihn. Die Gefahr mag die weißen Teufel vernichten, doch wir

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