Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
hervorquellenden Augen auf die Horrorgestalten. Ein Teil seiner Mannschaft hatte sich um ihn geschart; die meisten bewaffnet, aber ebenso erstarrt vor Schrecken wie ihr Kapitän.
»Geben Sie Ihren Männern Befehl, die Waffen zu senken«, sagte ich hastig. »Ein einziger Schuss löst eine Katastrophe aus!«
Natürlich reagierte Harmfeld auch jetzt nicht auf meine Worte. Aber seine Männer hatten sie verstanden und der Anblick der finsteren Giganten unterstrich meine Worte und überzeugte sie davon, dass es besser war, auf mich zu hören. Einer nach dem anderen senkten sie ihre Gewehre. Ich atmete innerlich auf.
Mittlerweile war auch der letzte Mann der NAUTILUS an Bord gekommen und als ich mich umwandte, traten drei der monströsen Gestalten auf Harmfeld und mich zu. Eine von ihnen überragte selbst die schwarzgekleideten Riesen noch um mehr als Haupteslänge. Ich hätte noch nicht einmal durch die Frontscheibe ihres Helmes blicken müssen, um sie zu erkennen.
»Rowlf!«, sagte ich erleichtert. »Ihr hättet wirklich keine Minute später kommen dürfen!«
Howards Leibdiener trat auf mich zu und blickte kopfschüttelnd zu mir herab. »Issoch immers selbe mit dir«, sagte er. »Kaum lässt ma dichn Moment ausse Augen, bisse wieda inne Klemme.« Er seufzte, nahm umständlich seinen Helm ab und legte ihn vor sich auf das Deck.
»Was … was bedeutet das, Craven?«, krächzte Harmfeld. »Sie kennen diese … diese Männer?«
»Das will ich meinen, mon ami«, sagte eine der beiden anderen Gestalten. »Sie sind der Kapitän dieses famosen Schiffes, nehme ich an?«
Harmfeld starrte den Mann im Taucheranzug an und sagte kein Wort. Nach wenigen Sekunden hob der Mann – wie Rowlf zuvor – die Hände an den Kopf, löste seinen Helm und reichte ihn an seinen Begleiter weiter. Das schmale, ausgezehrt wirkende Asketengesicht mit dem weißen Haar, das unter dem Taucherhelm zum Vorschein kam, wirkte über den monströsen Schultern der Tiefseemontur beinahe lächerlich.
»Wenn ich mich vorstellen darf?«, fragte er. »Mein Name ist Nemo. Kapitän Nemo. Und Sie sind …«
»Harm … Harmfeld«, stammelte Harmfeld. »Sie … Sie sind Nemo? Der … der Nemo?«
»In der Tat, mein Lieber, der Nemo«, erwiderte Nemo mit einem raschen, flüchtigen Lächeln. Er hob den Arm, deutete mit der Metallklaue seines Anzuges auf seine übrigen Begleiter und schloss auch mich in die Geste ein. »Dies hier sind meine Leute, mon capitaine«, sagte er. »Und wie Sie schon ganz richtig vermutet haben, handelt es sich bei Monsieur Craven um einen guten alten Bekannten von mir. Man könnte beinahe sagen, einen Freund.« Er runzelte die Stirn. »Ich sehe, er ist in Ketten?«, fragte er. »Was hat er getan?«
Harmfelds Gesicht verlor noch ein wenig mehr an Farbe. »Nichts«, sagte er rasch. »Es handelt sich wohl um … um einen Irrtum.«
Nemo nickte. »Das scheint mir auch so, mon capitaine. Es tut mir übrigens ausgesprochen leid, dass ich Ihr prachtvolles Schiff ein wenig beschädigen musste, aber unsere Zeit ist knapp bemessen und Ihre Kanonen drohten die NAUTILUS in Mitleidenschaft zu ziehen.«
»Was … was wollen Sie von uns?«, stammelte Harmfeld.
»Das ist in der Kürze der Zeit und unter den gegebenen Umständen leider nicht so einfach zu erklären«, antwortete Nemo knapp. »Aber ich darf Sie vielleicht bitten, mich an Bord meines Schiffes zu begleiten, mein lieber Freund. Dort werden sie alles erfahren, was vonnöten ist.«
»Ich … ich bin Ihr Gefangener?«, fragte Harmfeld.
Nemo seufzte. »Ich hätte vielleicht ein anderes Wort dafür gefunden«, sagte er. »Aber ja, sicher, man könnte es so nennen. Sagen wir der Einfachheit halber, dass Sie Ihr prachtvolles Schiff vorübergehend als geentert betrachten dürfen.«
»Dann ist es also wahr, was man sich über Sie erzählt!«, sagte Harmfeld wütend. Er hatte den ärgsten Schrecken überwunden und fand seine Fassung jetzt wieder. »Sie sind nichts als ein gemeiner Pirat!«
»Aber ich bitte Sie, mon ami!«, erwiderte Nemo in leicht beleidigtem Ton. »Nichts liegt mir ferner, als einen Akt der Piraterie zu begehen. Es ist nur so, dass wir aus einem ganz bestimmten Grund hier sind. Sie werden später alles erfahren, aber nehmen Sie jetzt damit vorlieb, dass wir Ihr Schiff brauchen.«
»Und wozu?«, fragte Harmfeld.
»Um diese Insel zu evakuieren«, antwortete Nemo.
»Evakuieren?« Harmfeld blinzelte irritiert. »Wie meinen Sie das? Was soll der Unsinn?«
»Ich fürchte, es ist
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