Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
Lichtfaden zusammen. Dann erlosch es.
An der Decke der Höhle begann der Fels abzukühlen. Nach einer Weile glühte der Fels nur mehr in sanftem, sehr dunklem Rot und etwas später erlosch auch dieses. Die Wunde, die der Erde geschlagen worden war, war wieder verheilt. Die Dunkelheit, die seit Äonen die unterseeische Höhle beherrscht hatte, nahm ihr Reich wieder in Besitz. Es schien, als wäre nichts geschehen.
Und doch hatte sich etwas verändert. Niemand wusste es, niemand spürte es, nicht einmal die, die sein Kommen herbeigefürchtet hatten, und doch war der Tod dieses einen Ssaddit die erste Schlacht gewesen. Eine Schlacht, die vielleicht die endgültige Entscheidung über das Schicksal dieser Welt herbeiführen würde.
Denn der UNAUSSPRECHLICHE war zurückgekehrt in die Wirklichkeit, die zu bewachen ihm aufgetragen worden war.
Bewachen.
Nicht beschützen.
Die NAUTILUS war längsseits gegangen. Das gewaltige Turmluk hatte sich geöffnet, und einer von Nemos Männern hatte eine Laufplanke ausgelegt, sodass wir das Unterseeboot trockenen Fußes erreichen konnten. Harmfeld hatte sich nicht mehr gesträubt, Nemos »Einladung« Folge zu leisten und an Bord der NAUTILUS überzuwechseln – wenn auch höchstwahrscheinlich weniger aus Einsicht, als vielmehr, weil er von dem Gehörten und Erlebten viel zu schockiert war, um überhaupt zu so etwas wie Widerspruch fähig zu sein. Ich war ein wenig enttäuscht, Howard nicht im Turm vorzufinden, aber Nemo erklärte mir, dass er im Salon auf mich und den Kapitän der Zuidermaar warten würde, und ich beeilte mich, die gewendelte Eisentreppe hinunter in die Kommandozentrale der NAUTILUS zu laufen.
Unser Wiedersehen war so herzlich, wie man es nach allem, was in der Zwischenzeit geschehen war, erwarten konnte. Howard schloss mich schlichtweg in die Arme und presste mich so heftig an sich wie eine Mutter, die ihren tot geglaubten Sohn wiedergefunden hat. Einen Moment lang ließ ich seine stürmischen Freudenbezeugungen über mich ergehen, dann löste ich mich aus seiner Umarmung, trat einen Schritt zurück und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
Howard sah nicht gut aus; aber das konnte man von einem Mann, der Wochen an einer tödlichen Krankheit gelitten hat, auch schwerlich erwarten. Tiefe graue Schatten lagen auf seinen Wangen und seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz, der wohl nur zum Teil auf seine Erregung zurückzuführen war. Seine Hände zitterten ganz leicht, als er einen Zigarillo aus der Rocktasche nahm und anzündete.
»Wie schön, dich wiederzusehen, Junge«, sagte er – zum wahrscheinlich dreißigsten Male. »Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben.«
»Du weißt doch: Unkraut vergeht nicht«, antwortete ich.
Howard lächelte pflichtschuldig, aber der ernste Ausdruck in seinen Augen nahm eher zu. Er setzte sich, schnippte die Zigarrenasche auf den Boden und wies mich mit einer einladenden Geste an, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Ich sah zur Tür zurück, ehe ich gehorchte. Das halbrunde Stahlschott hatte sich hinter mir wieder geschlossen.
»Ich habe darum gebeten, dass man uns für einige Minuten in Ruhe lässt«, sagte Howard, der meinen Blick richtig deutete. »Wir haben eine Menge zu bereden. Und nicht sehr viel Zeit. Was ist passiert?«
Ich zögerte einen Moment zu antworten. Mir brannten selbst tausend Fragen auf der Zunge, angefangen mit der, wieso die NAUTILUS plötzlich hier aufgetaucht war – nicht nur tausende von Meilen von der schottischen Küste entfernt, sondern noch dazu zwei Jahre in der Vergangenheit. Aber ich kannte Howard auch gut genug, um zu wissen, dass ich ohnehin keine Antwort bekommen würde, ehe nicht sein Wissensdurst gestillt war. So fügte ich mich denn und erzählte ihm alles, was seit unserer letzten Begegnung geschehen war, über die verzweifelte Odyssee der DAGON und mein Zusammentreffen mit dem geheimnisvollen Feind der GROSSEN ALTEN, bis hin zu dem, was sich auf Krakatau selbst zugetragen hatte. Howard sagte während der ganzen Zeit kein Wort, aber er hatte seine Physiognomie nicht gut genug unter Kontrolle, dass ich nicht darin hätte lesen können. Nicht sehr viel von dem, was er hörte, schien ihn zu überraschen.
Auch als ich zu Ende berichtet hatte, schwieg Howard weiter; und schließlich hielt ich es nicht mehr aus und platzte heraus: »Was hat das alles zu bedeuten, Howard? Wie kommt die NAUTILUS hierher? Woher wusstet ihr überhaupt, wo ich bin, und was hat Nemo damit gemeint: Diese Insel wird vom
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