Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
Turm und wartete, bis Rowlf das Metallgebinde bestiegen hatte und ihn kurzerhand hinaufzog.
Sie hatten Glück. Das runde Turmluk war zwar geschlossen, aber nicht verriegelt. Rowlf riss den zentnerschweren Deckel mit einer einzigen wütenden Bewegung auf und sprang in die Tiefe. Howard folgte ihm etwas langsamer. Als er den stählernen Lukendeckel über sich einrasten ließ, versagten beinahe seine Kräfte. Plötzlich spürte er zum ersten Male wirklich, wie sehr die wochenlange Krankheit und das, was er anschließend getan hatte, an seinen Kräften gezehrt hatten. Sein Herz jagte wie ein Hammerwerk. Vor seinen Augen tanzten blutige Schleier auf und ab, und mit einem Male schmeckte die Luft bitter und metallisch. Für einen Moment sah er nur noch Schatten – und der Lärm und das Schreien und Schießen wurden zu einem irrsinnigen Crescendo.
Er spürte kaum, wie Rowlf ihn bei den Schultern ergriff und vor sich herschob, auf die Treppe zu, die tiefer hinab ins Schiff führte. Auf halber Höhe blieben sie stehen. Rowlf ergriff seine Hand, legte sie um das Treppengeländer und drückte sie fest. »Warte hier!«, keuchte er. Dann fuhr er herum, stürmte, immer drei, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe wieder hinauf und verschwand brüllend im Turm.
Howard konnte nicht sehen, was sich über ihm abspielte, aber das Schießen brach plötzlich ab und dafür erscholl ein Gebrüll wie von einer ganzen Horde außer Rand und Band geratener Berserker. Augenblicke später ließ eine dumpfe Erschütterung das gesamte Schiff erbeben.
Rowlf kam zurück, einen verwundeten Matrosen über der Schulter tragend. Hinter ihm erschien ein zweiter Mann, ebenfalls blutend und so schwach, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
»Was ist … geschehen?«, fragte Howard stockend.
»Ich hab der Bande die Tür vorde Nase geknallt«, antwortete Rowlf. »Aba ich binnich sicher, obse hält. Sinn paar viele.«
Wie um seine Worte zu unterstreichen, krachte über ihren Köpfen irgendetwas mit fürchterlicher Wucht gegen den Turm. Es war ein Schlag, der das gesamte Unterseeboot erzittern ließ. Ein tiefes, bedrohliches Stöhnen lief durch den Rumpf der NAUTILUS. Howard glaubte die Nieten unter der Belastung ächzen zu hören.
Eine Sekunde lang starrte er Rowlf entgeistert an, dann fuhr er herum, lief die Treppe weiter hinab und stolperte in den Salon der NAUTILUS.
Das Bild, das sich ihm bot, ließ ihn erstarren. Durch das deckenhohe Fenster, das eine ganze Wand des Salons einnahm, fiel mildes blaues Licht herein, aber wo vor wenigen Minuten noch die Unendlichkeit des Ozeans gewesen war, wand sich jetzt etwas Gigantisches, Grünschwarzes. Riesige leuchtende Augen starrten mit blinder Wut zu ihnen herein. Ein halbes Dutzend mannsdicker Fangarme wogten wie ein Nest grässlicher, saugnapfbewehrter Schlangen in der Strömung und unter dem aufgedunsenen Balg des Ungeheuers klappte ein schrecklicher Papageienschnabel, groß genug, einen Mann mit einem einzigen Biss zu verschlingen.
»Er könnte dieses Schiff zerstören, Lovecraft«, sagte eine Stimme.
Howard fuhr herum – und erstarrte zum zweiten Mal. »Sie?«, keuchte er.
Obwohl ich den Höhleneingang jetzt zum ersten Male bei hellem Tageslicht sah, schien er beinahe noch bedrohlicher zu wirken: ein gähnendes, weit aufgerissenes Maul, das jeden verschlingen musste, der schwachsinnig genug war, auch nur einen Fuß dort hinein zu setzen. Das unheimliche Glühen, das während der Nacht aus dem Berg gedrungen war, hatte zugenommen und war jetzt selbst im Sonnenlicht zu erkennen, wenn auch nur als schwacher Funke irgendwo am Ende des Tunnels.
Es war heiß. Unerträglich heiß. Aus dem Inneren der Erde wehte der Hauch der Hölle hervor.
»Worauf wartest du?«, fragte Jennifer. Sie war vorausgegangen und bereits ein gutes Stück in den Tunnel vorgedrungen, während ich dicht hinter dem Eingang stehen geblieben war. Das Gewehr, das mir Harmfeld mitgegeben hatte, lag jetzt in meiner Armbeuge und war entsichert. Aber ich hatte das Gefühl, dass mir die Waffe bei dem, was uns hier erwartete, nicht sehr viel nutzen würde.
»Nicht so laut!«, sagte ich warnend.
Jennifer seufzte. »Warum?«, fragte sie spitz. »Hast du Angst, die Felswände könnten dich hören?«
Ich schenkte ihr einen bösen Blick und trat mit einem energischen Schritt neben sie; allerdings nicht, ohne mich noch einmal umzusehen.
»Vielleicht«, antwortete ich mit einiger Verspätung. »Wir sollten vorsichtig
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