Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
Umstand, dass ich diese Höhle kannte. Ich war schon hier gewesen.
Aber damals hatte sie anders ausgesehen, völlig anders. Die zahllosen rechteckigen Lavapfützen, die sich beiderseits des Steinpfades reihten, waren drei Yards tiefe Gruben gewesen, Zellen gleich, in denen Dagon seine unglücklichen Opfer gefangen hielt. Es waren Hunderte gewesen.
Und ich wusste, was sie in lavagefüllte Höllenkessel verwandelt hatte.
Opfer.
Menschenopfer, die dargebracht wurden, damit aus Dagons Dämoneneiern die schrecklichen Ssaddit wurden …
Trotz der unerträglichen Hitze begann ich plötzlich zu frieren. Auch wenn ich unbewusst wohl geahnt haben mochte, was mich erwartete, traf mich der Anblick wie ein Fausthieb. Wie in einer furchtbaren Vision sah ich noch einmal das gewaltige schwammige Ungeheuer aus dem Meer auftauchen, Dagons Mörderwurm, den er ausgesandt hatte, Opfer für seine grässlichen Zeremonien zu finden, sah es die wehrlosen Eingeborenen an Land speien, sah Dagons Sklaven die Männer und Frauen mit Peitschenhieben hier hereintreiben.
Ich war zu spät gekommen. Ich wusste nicht einmal, ob ich wirklich hier war, um die Majundes zu retten, oder nur Shannons wegen, aber gleich, was der wahre Grund gewesen sein mochte – ich hatte versagt.
Minutenlang stand ich so da, gelähmt vor ungläubigem Schrecken und Entsetzen, bis es mir gelang, mich wenigstens herumzudrehen.
Ich war nicht einmal überrascht, als ich die Gestalt hinter mir erblickte.
»Natürlich ich«, sagte Jennifer kühl. »Wen haben Sie erwartet?«
»Wie … wie kommen Sie hier …«, stammelte Howard, brach plötzlich mitten im Wort ab und trat mit einem zornigen Schritt auf das dunkelhaarige Mädchen zu. »Das ist Ihr Werk!«, schrie er. »Diese Ungeheuer sind -«
»Machen Sie mich nicht für Dinge verantwortlich, die Ihre Schuld sind«, unterbrach ihn Jennifer kalt. »Nichts von alledem wäre geschehen, hätten Sie Ihr Wort gehalten.«
Howard stöhnte vor Wut. Er ballte die Faust und machte noch einen Schritt in Jennifers Richtung, blieb dann aber wieder stehen. Irgendetwas sagte ihm, dass es sinnlos wäre, das Mädchen angreifen zu wollen.
Erneut durchlief ein tiefes, mahlendes Geräusch den Rumpf des Unterseebootes und diesmal hatte Howard ganz deutlich das Gefühl, das Schiff bis in seine letzten Verspannungen erbeben zu spüren.
»Ist das Ihre Rache?«, fragte er matt.
»Rache?« Jennifers linke Augenbraue rutschte ein Stück weit nach oben. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Lovecraft«, sagte sie kalt.
»Was wollen Sie dann?«, fragte Howard.
»Sie«, antwortete Jennifer. »Sie und dieses Schiff, Lovecraft.«
Rowlf stieß ein drohendes Knurren aus, schob Howard kurzerhand zur Seite und trat mit kampflustig gesenkten Schultern auf sie zu.
»Rufen Sie ihn zurück, Lovecraft«, sagte Jennifer leise, »oder ich töte ihn.« Ihre Stimme klang ganz ruhig, beinahe unbeteiligt. Aber Howard wusste, dass sie es ernst meinte. Und dass sie es konnte.
»Lass es, Rowlf«, sagte er. »Ich werde tun, was sie verlangt. Wenigstens zum Teil.«
»Zum Teil?«
»Mich können Sie haben«, murmelte Howard. »Machen Sie mit mir, was Sie wollen. Aber die NAUTILUS gehört mir nicht.«
Jennifer starrte ihn an. In ihren Augen blitzte ein Zorn, der nicht mehr menschlich war. Sie trat auf Howard zu, packte ihn grob bei der Schulter und deutete mit der anderen Hand zum Fenster und dem gewaltigen Oktopus.
»Er könnte dieses Schiff vernichten«, sagte Jennifer kalt. »Ein einziges Wort von mir und er zermalmt die NAUTILUS. Mit allen, die an Bord sind.«
Lange, endlos lange starrte Howard sie an. Dann fragte er: »Was verlangen Sie?«
Jennifer sagte es ihm.
Howard wurde bleich. »Niemals«, antwortete er.
»Du hast dich verändert«, sagte ich leise.
»Und du bist ein ebensolcher Narr geblieben, wie du warst«, antwortete Dagon abfällig. Seine riesigen Fischaugen musterten mich kalt und was ich darin las, hätte mich eigentlich zum Erzittern bringen müssen. Aber ich empfand nichts. Gar nichts mehr. Vielleicht war das, was hier geschehen war, einfach zu schrecklich, als dass ich noch in irgendeiner Form darauf reagieren konnte. Alles, was ich fühlte, war eine tiefe, schmerzende Leere.
»Du hättest nicht herkommen sollen«, fuhr er fort. »Du bist mir einmal entkommen, mit Glück und der Hilfe eines anderen. Ein zweites Mal wird dir das nicht gelingen.«
»Was hast du mit mir vor?«, fragte ich. »Brauchst du noch eine Fleischration
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